«Ein diktatorischer Akt»: Maduro krempelt Venezuela um
Mitarbeiter der venezolanischen Nationalgarde bewachen das Gebäude
der Oberstaatsanwaltschaft in Caracas (Venezuela). Foto: Ariana
Cubillos
Venezuelas
Staatschef Maduro treibt den befürchteten Umbau des Landes zu einer
sozialistischen Diktatur voran. Eine gefährliche Widersacherin wird
abgesetzt. Als nächstes könnte es für einige Oppositionspolitiker eng
werden.
Caracas
(dpa) - Nach der Absetzung der kritischen Chefanklägerin Luisa Ortega
wächst die Sorge vor einer sozialistischen Diktatur in Venezuela. Dies
sei der «erste diktatorische Akt einer illegitimen Verfassungsgebenden
Versammlung», sagte Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger
Juan Manuel Santos.
Die
von Staatschef Nicolás Maduro eingesetzte Versammlung hat das
bisherige, von der Opposition dominierte Parlament ersetzt. Neben der
Arbeit an einer neuen Verfassung hat sie weitreichende
Entscheidungsvollmachten.
So
setzten die 545 Versammlungsmitglieder in der ersten Arbeitssitzung die
Generalstaatsanwältin ab, die Venezuela unter Maduro auf dem Weg zur
Diktatur sieht. «Ich stelle fest, dass in Venezuela ein Putsch gegen die
Verfassung in vollem Gange ist», teilte Ortega mit.
Sie
war Anfang 2008 unter dem damaligen Präsidenten Hugo Chávez ins Amt
gekommen und hatte dessen Nachfolger Maduro lange unterstützt. Zuletzt
stellte sie Maduro wegen ihrer Kritik als «Komplizin» der Opposition
dar.
Ortegas
Konten wurden eingefroren, sie darf das Land nicht verlassen. Kurz vor
der Absetzung hatten Soldaten sogar ihren Amtssitz abgeriegelt. Zu ihrem
Nachfolger wurde ein Vertrauter Maduros, Tarek Willian Saab, ernannt.
Als
nächstes kündigte die Präsidentin der sogenannten Volksversammlung, die
frühere Außenministerin Delcy Rodríguez, für Sonntag die Einsetzung
einer «Wahrheitskommission» ein. Sie solle alle politischen Verbrechen
und Gewalttaten seit Machtübernahme der Sozialisten 1999 aufarbeiten.
Rodríguez
machte deutlich, dass «die Rechte in Venezuela» zur Rechenschaft
gezogen werden solle. Maduro sprach wiederholt von reservierten
Gefängniszellen für Oppositionspolitiker. Die Opposition fürchtet, dass
die Immunität von Abgeordneten aufgehoben werden könnte.
Die
Arbeit der Versammlung an einer neuen Verfassung soll bis zu zwei Jahre
dauern, was auch die Ende 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen nach
hinten verschieben könnte. Die von Chávez entwickelte Verfassung sieht
eine Gewaltenteilung vor.
Von
einer «Stunde null» ist nun in Caracas die Rede. In den letzten Tagen
kamen kaum noch Menschen zu Demonstrationen. Mit Vollzug der Versammlung
und Zunahme der Repression könnte der Protesteifer zum Erliegen kommen.
Seit Anfang April wird gegen Maduro demonstriert, über 120 Menschen
kamen bisher ums Leben.
Eigentlich
hätte nur das Parlament Chefanklägerin Ortega absetzen können, aber
durch die Schaffung der «Volksversammlung» wurde die zur Feindin vieler
Sozialisten gewordene Juristin nun kurzerhand von dem neuen Gremium
enthoben. Viele Staaten erkennen das Parallelparlament aber nicht an.
Maduro preist das Gremium als Vertretung des Volkes. Darin sitzen aber
fast nur Anhänger der Sozialisten, darunter Maduros Frau und sein Sohn.
Die
Mitgliedschaft Venezuelas im südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur
wurde wegen Verstößen Maduros gegen demokratische Prinzipien dauerhaft
auf Eis gelegt. Das teilten die Außenminister von Brasilien,
Argentinien, Uruguay und Paraguay nach einer Sondersitzung in Brasilia
mit. Venezuelas Mitgliedschaft war 2016 vorübergehend ausgesetzt worden.
Mercosur-Mitglieder profitieren von Zoll- und Handelserleichterungen.
«Mit
heroischem Mut, in den Händen des Volkes, wird die Verfassungsgebende
Versammlung den Frieden zurückbringen», sagte Maduro zur Einsetzung des
Gremiums. Die 545 Mitglieder waren am Freitag mit Porträts von
Staatsgründer Simón Bolívar und Chávez, dem Begründer des
Sozialismus-Projekts, in das Parlamentsgebäude eingezogen. Die Porträts
waren Anfang 2016 von der Opposition nach ihrem Sieg bei
der Parlamentswahl abgehängt worden.
«Nichts
und niemand wird die neue Geschichte verhindern. Wir werden siegen»,
sagte Maduro. Tatsächlich scheint der wochenlange Machtkampf in Caracas
vorerst entschieden. Die neue Versammlung war auch von Papst Franziskus
kritisiert worden - ein Appell an den Katholiken Maduro verhallte aber
wirkungslos, wie alle anderen Mahnungen auch.
Mehrere
Staaten drohen mit Sanktionen, die USA etwa halten sich einen
Öl-Importstopp offen. Venezuela hat mit über 300 Milliarden Barrel die
größten Ölreserven der Welt, aber die Wirtschaft liegt brach, es gibt
eine schwere Versorgungskrise.
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