SalvadorEs waren die gewalttätigsten politischen Auseinandersetzungen in Venezuela seit langem: 13 Menschen wurden während der Wahl zur Verfassungsversammlung getötet, die die Regierung von Präsident Nicolás Maduro für den gestrigen Sonntag anberaumt hatte. Vor allem in den Provinzen kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen protestierender Opposition und Nationalgarde.
Maduro drohte unverhohlen den Wählern
Regierungsvertreter dagegen posteten – weit weniger –Aufnahmen und Videos von angeblichen Schlangen wartender Wähler. Dennoch deutet viel darauf hin, dass die Wahlbeteiligung für die Regierung peinlich schwach ausgefallen sein könnte: Präsident Maduro rief den ganzen Tag in Live-Schalten die Wähler dazu auf, ihrer Pflicht nachzukommen.Maduro hatte bereits zuvor verkündet, dass die 4,5 Millionen Staatsbedienstete wählen müssten sowie alle diejenigen, die Lebensmittelbezugsscheine haben – wenn sie nicht ihre Jobs und Privilegien verlieren wollten. „Wir werden für immer erkennen können, ob du heute gewählt hast“, drohte er unverhohlen in den TV-Wahlschalten. Die Opposition warnt davor, dass die Regierung die Abstimmung massiv fälschen könnte.
Bei der Wahl geht es vordergründig nicht um das Ergebnis, also welcher Kandidat zur Verfassungsversammlung gewählt wird. Entscheidend für die Opposition ist die Zahl der Wähler. Präsident Maduro muss heute mehr Stimmen zur Verfassungsversammlung bekommen, als die 7,5 Millionen Stimmen, welche die Opposition vor einer Woche nach eigenen Angaben bei einem symbolischen Plebiszit eingesammelt hat.
Die Opposition hatte zum Boykott der Wahlen aufgerufen, weil sie, genauso wie viele Anhänger des 2013 verstorbenen Maduro-Vorgängers Hugo Chávez stört, dass beim Plebiszit schon vorher feststeht, wer gewählt werden darf. Aus jedem der 340 Gemeinden Venezuelas wird genau ein Kandidat gewählt, wodurch das von der Regierung kontrollierte dünnbesiedelte Landesinnere gegenüber den Städten überrepräsentiert wird. Dort leben die meisten der 32 Millionen Venezolaner. Dort dominiert die Opposition.
Zudem werden ein Drittel der Abgeordneten direkt von Gewerkschaften und sozialen Gruppen entsandt, welche die Regierung ausgewählt hat.
Julio Borges, der Präsident des von der Opposition dominierten Kongresses, erklärte, dass maximal zwei Millionen Wähler dem Aufruf der Regierung gefolgt seien. Auch unabhängige Beobachter wie das Institut Datanalisis schätzen, dass nur 15 Prozent der Wähler, also knapp drei Millionen Berechtigte zu den Urnen gegangen sind.
Wachsender internationaler Druck
Präsident Maduro will die Verfassung ändern, um den Kongress sowie die Staatsanwaltschaft zu entmachten, wo sich die Opposition gegen sein Regime konzentriert – das hat er mehrfach öffentlich erklärt. Auch will er den Abgeordneten die Immunität entziehen, um sie vor Sondergerichten wegen Verbrechen gegen den Staat zu verurteilen. Ebenso könnte er mit der Verfassungsversammlung den anstehenden Wahltermin im nächsten Jahr aufschieben.Bei freien Wahlen hätte der unbeliebte Präsident keine Chancen. So tief hat er das Land er in nur drei Jahren in die Rezession und politisches Chaos geritten. Um ein Drittel ist die Wirtschaft seit 2013 geschrumpft. Die Mehrheit der Bevölkerung hat zu wenig zu essen. Es gibt kaum noch Medikamente. Krankheiten wie Diphtherie und Malaria grassieren wieder.
Allradantrieb im Gelände
Revierstreitigkeiten — wenn der Neue kommt
Wie es in Venezuela weiter gehen wird, ist nebulös: In Caracas kursieren Gerüchte, dass hinter den Kulissen bereits zwischen Militärs, der Opposition sowie abtrünnigen Regierungsmitgliedern über eine Ablösung Maduros verhandelt wird. Als ein Indiz dafür, dass die Militärs einen Machtwechsel unterstützten könnten, wird gewertet, dass Verteidigungsminister Vladimir Padrino López nicht von den USA abgestraft wurde. Dadurch ständen die Türen offen, für eine Beteiligung der Militärs an einer neuen Regierung.
Das Handelsblatt
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