Stand: 31.10.2019 19:46 Uhr
Brasiliens Präsident Bolsonaro hat mit
einer Schimpftirade auf einen Fernsehbericht über eine mögliche
Verbindung zwischen ihm und einem politischen Mord reagiert - und dem
Sender gedroht.
Von Ivo Marusczyk, ARD-Studio Buenos Aires
Das gibt es auch im Twitter-Zeitalter nicht alle
Tage: Ein Präsident lässt das ganze Land an einem Wutanfall teilhaben.
Die Innenpolitik holte Jair Bolsonaro ausgerechnet bei einem
Staatsbesuch in Saudi-Arabien ein. Ein Bericht von TV Globo, dem
wichtigsten Fernsehsender des Landes, brachte Jair Bolsonaro so in Rage,
dass er sich mitten in der Nacht noch hinsetzte und eine 23-minütige
Schimpftirade aufzeichnete - die seine Anhänger und Follower dann sofort
bestaunen konnten.
Stadträtin von Ex-Polizisten ermordet
"Eine Sauerei, so einen Bericht zu senden, zu
bester Sendezeit, in der der Verdacht erhoben wird, ich hätte bei der
Ermordung von Marielle Franco mitgemacht." Marielle Franco war eine
bekannte Stadträtin, die Polizeigewalt in Rio de Janeiro angeprangert
hatte. Vor anderthalb Jahren wurde sie brutal ermordet - sofort richtete
sich der Verdacht auf rechte Milizen, in denen aktive und ehemalige
Polizisten in Rio im Drogengeschäft mitmischen. Tatsächlich waren die
mutmaßlichen Täter, die im März verhaftet wurden, früher Polizisten. Und
einer von ihnen wohnte ausgerechnet in derselben Wohnanlage wie der
Präsident.
TV Globo hat diese Woche aufgedeckt, dass der
Wachmann direkt im Haus Bolsonaros anrief, als einer der mutmaßlichen
Täter seinen Komplizen abholen wollte. Das ist die Enthüllung, die den
Präsidenten so aufregte, dass er auch den Gouverneur von Rio, Wilson
Witzel, scharf attackierte. Dabei war Witzel, ein erzkonservativer
Law-and-Order-Politiker, eigentlich mal enger politischer Verbündeter.
Bolsonaro macht Gouverneur verantwortlich
"Wer hat das Globo gesteckt? Laut der Zeitschrift
'Veja' hat Gouverneur Witzel das weitergegeben. Der möge sich jetzt
erklären." Später legte Bolsonaro noch einmal nach - er behauptet,
Witzel wolle ihn, Bolsonaro, aus dem Weg räumen: "Gouverneur Witzel hat
das aus politischem Kalkül heraus gemacht. Und damit ein Verbrechen
begangen. Er hat die Ermittlungen in die falsche Richtung gelenkt, und
er hatte auch Einsicht in die geheimen Akten. Das halte ich für eine
kriminelle Handlung des Gouverneurs, der politische Ambitionen hat. Da
er nicht durch Kompetenz auffallen kann, greift er den Präsidenten an."
Dabei sind so oder so noch viele Fragen offen.
Der Wachmann behauptet, er habe aus Bolsonaros Haus das O.K. bekommen,
das Auto in die Wohnanlage zu lassen. Ihm sei dann aufgefallen, dass das
Auto ein anderes Haus angesteuert habe, deswegen habe er nochmal
angerufen - aber man habe ihm gesagt, dass alles in Ordnung sei. Der
Wachmann glaubte allerdings auch, Bolsonaros Stimme erkannt zu haben.
Tatsächlich war der, damals noch einfacher Abgeordneter, an diesem Tag
aber in der Hauptstadt Brasília.
Witzel: "Da war er wohl nicht ganz beisammen"
Gouverneur Witzel ließ die Attacke des
Präsidenten nicht auf sich beruhen und keilte genauso hart zurück - das
Publikum wird Zeuge des offenen Kriegs, der im rechten Lager in
Brasilien ausgebrochen ist: "Es ist schade, dass der Präsident gerade
auf einer stressigen Reise ist und deswegen wohl seine Emotionen nicht
mehr unter Kontrolle hat. Da war er wohl nicht ganz beisammen, als er
meine Arbeit als Gouverneur angegriffen hat. "
Noch bedenklicher als die Angriffe auf einen
politischen Verbündeten sind allerdings die Attacken Bolsonaros auf die
Medien. In seiner Wutrede stieß er offene Drohungen gegen das
Globo-Netzwerk aus - immerhin ist das Brasiliens führender
Medienkonzern: "Wir reden 2022 nochmal, ich solltet hoffen, dass ich
dann tot bin. Denn dann läuft eure Sendelizenz ab. Und es gibt dann
keinerlei Ausnahmen mehr, weder für Euch noch für andere."
Tagesschau de.
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