Chiles Präsident Piñera lenkt nach sozialen Unruhen ein
Mindestrente und Mindestlohn sollen angehoben, Diäten von Parlamentariern und hohen Beamten gekürzt werden
Santiago. Nach anhaltenden Protesten in Chile hat Präsident Sebastián
Piñera eingelenkt und eine Reihe von sozialen Maßnahmen angekündigt. So
sollen ab sofort die Mindestrente und der Mindestlohn angehoben werden,
wie Piñera in einer TV-Ansprache am Dienstagabend sagte. Zugleich
sollen die Preise für Arzneimittel gesenkt, höhere Steuern für
Spitzenverdiener eingeführt sowie die Diäten von Parlamentariern und die
Gehälter von hohen Staatsbeamten gekürzt werden.
Piñera versprach vor allem Rentnern und Familien mehr
Unterstützung. Bei der Bevölkerung entschuldigte er sich, dass er das
ganze Ausmaß der sozialen Unzufriedenheit nicht erkannt habe.
Im Vergleich zu seinen bisherigen Fernseh-Ansprachen verurteilte der
konservative Staatschef die Demonstranten nicht, sondern sprach von
einer Situation der Ungleichheit für Millionen Menschen in Chile. Bei
den Unruhen waren in den vergangenen Tagen 15 Menschen ums Leben
gekommen, die meisten davon waren Opfer von Bränden.
Es gab Plünderungen und Brandstiftungen. Die Sicherheitskräfte gingen
massiv gegen Demonstranten vor, setzten Wasserwerfer und Gummigeschosse
ein. In der Hauptstadt Santiago und weiteren großen Städten gilt nach
wie vor eine nächtliche Ausgangssperre. Mehrere Supermärkte wurden
geplündert und angezündet.
Auch am Dienstag gingen in Santiago und weiteren Städten wie
Antofagasta, Valparaíso und Concepción Hunderttausende Menschen
friedlich auf die Straße. Jugendliche, Eltern mit Kindern und Rentner
demonstrierten gemeinsam gegen die soziale Krise im Land. Am Montag
hatten Gewerkschafter zu einem Generalstreik aufgerufen.
Nach Regierungsangaben wurden seit Ausbruch der Proteste vor einer
Woche mehr als 2.600 Menschen festgenommen. Allein in der Hauptstadt
sind etwa 20.000 Soldaten im Einsatz und an 130 »kritischen Orten«
postiert, wie das Innenministerium mitteilte.
Die Proteste hatten sich an geplanten Fahrpreiserhöhungen für die
Metro in Santiago entzündet, die aber wieder zurückgenommen wurden. Doch
der Unmut in der Bevölkerung wegen der exorbitant gestiegenen
Lebenshaltungskosten schwelt schon lange.
Unter der Regierung von Piñera hat sich Chile zwar wirtschaftlich
konsolidiert, die soziale Ungleichheit unter den 18 Millionen Einwohnern
nahm aber weiter zu. Zugesagte Reformen im Gesundheits- und
Bildungswesen blieben aus. epd/nd
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