Amazonas-Waldbrände: "Die Schadstoffe der Brände sind die größte Gesundheitsgefahr"
Linda Fischer,ZEIT ONLINE
Die gigantischen Brände in Brasilien zerstören nicht nur ein
Ökosystem, sondern sind auch eine gesundheitliche Gefahr. Feuerwehrarzt
Hans-Richard Paschen erklärt, warum. Der Amazonasregenwald steht in Flammen, die Zahl der Waldbrände
erreichte dieses Jahr einen neuen Höchststand. Damit gehen nicht nur
große Teile eines wertvollen Ökosystems verloren. Die Brände gefährden
auch den Lebensraum indigener Völker und die Gesundheit Tausender.
Hans-Richard Paschen ist stellvertretender Bundesfeuerwehrarzt und
versorgt häufig die Betroffenen von Waldbränden. Im Interview mit ZEIT
ONLINE erklärt er, welche Gesundheitsgefahren Waldbrände mit sich
bringen. ZEIT ONLINE: Herr Paschen, im Amazonasgebiet brennen Tausende Hektar Regenwald. Sind diese Brände mit Waldbränden in Deutschland vergleichbar? Hans-Richard Paschen: Das Ausmaß der Brände ist
riesig. Wahrscheinlich sind deshalb deutlich mehr Menschen betroffen als
bei einem Waldbrand in Deutschland. Außerdem ist die
Schadstoffbelastung deutlich größer. Auf der anderen Seite sind die
Gegenden dort weniger dicht besiedelt. ZEIT ONLINE: Aber die gesundheitlichen Folgen sind ähnlich? Paschen: Ja. Die Schadstoffe der Brände sind die
größte Gesundheitsgefahr, hauptsächlich Kohlenstoffdioxid und Feinstaub,
die die Atemwege reizen. Außerdem entsteht bei einer unvollständigen
Verbrennung Kohlenmonoxid, das beim Einatmen die inneren Atemwege
vergiftet und in höheren Konzentrationen relativ zügig zur
Bewusstlosigkeit führt. Auf die Feinstaubbelastung reagieren Menschen
mit Vorerkrankungen, also Asthmatiker oder Allergikerinnen, und
Kleinkinder sowie ältere Menschen besonders empfindlich.
ZEIT ONLINE: Und das gilt, egal ob in Brandenburg Fichten und Kiefern brennen oder im Amazonasurwald? Paschen: Ja, am Ende verbrennt Holz. Dabei entstehen
immer die gleichen Stoffe. Einen Unterschied gibt es eher zum Rauch von
Wohnungsbränden. Der ist noch giftiger. Denn dort brennt immer auch
Kunststoff mit, wodurch Cyanide freigesetzt werden, die wie das
Kohlenstoffmonoxid direkte Atemgifte sind. ZEIT ONLINE: Was ist mit der Hitze? Paschen: Die macht oft den Feuerwehrleuten vor Ort
zu schaffen. Sie können sich zwar durch Schutzkleidung vor Verbrennungen
auf der Haut schützen. Aber wenn sie heiße Luft einatmen, können die
inneren Atemwege verbrennen, was extrem gefährlich ist. Dabei gerinnt
das Eiweiß im Körper und macht Lungenzellen funktionsunfähig, sie
sterben ab. Außerdem sorgen die hohen Temperaturen für eine Ödembildung:
Die Atemwege schwellen zu. Nicht zu unterschätzen ist auch der
Flüssigkeitsverlust. Wenn die Einsatzkräfte bei dieser Hitze körperlich
arbeiten, führt das sehr schnell zur Dehydrierung. Deswegen sagen wir
unseren Brandschützern und Brandschützinnen immer wieder: "Trinkt
während der Einsätze, damit ihr leistungsfähig bleibt!" ZEIT ONLINE: Und wie gefährdet sind Menschen, die in der Nähe eines Waldbrandes wohnen? Paschen: An der Feuergrenze ist das Feuer
unberechenbar. Es kann innerhalb kürzester Zeit weiterspringen. Wenn ein
ganzer Wald brennt, kann in der Nähe auch der Sauerstoff knapp werden.
Einerseits verbrennt er, andererseits entstehen thermische Aufwinde an
der Feuergrenze, die in einem enormen Sog heiße Luft mit ihrem
Sauerstoff nach oben ziehen. Wir kennen Ähnliches, in extremer Form, von
den Bombardierungen der Städte im Zweiten Weltkrieg. ZEIT ONLINE: Es wird berichtet, dass der Brandrauch vom Amazonas
noch in Tausenden Kilometern Entfernung den Himmel verdunkelt. Gibt es
auch auf große Entfernungen gesundheitliche Bedenken, etwa für
Asthmatiker? Paschen: Eher nicht. Wir erleben ähnliche
Situationen oft bei Osterfeuern, wenn eine Inversionswetterlage den
Luftaustausch in 200 bis 300 Metern Höhe verhindert und es auch auf
weite Entfernungen noch nach Rauch riecht. Das stellt kein großes
Problem dar. In Brasilien ist die
Rauchentwicklung deutlich größer. Sollten feine Partikel, die im Rauch
fortgetragen werden, auch weit entfernt in großen Konzentrationen zum
Boden absinken, kann das für Asthmatiker zum Problem werden.
Wahrscheinlich wird der Brandrauch jedoch beim Verwehen über viele
Kilometer so verdünnt, dass man nicht mit gesundheitlichen Schäden
rechnen muss. ZEIT ONLINE: In Brasilien soll nun das Militär
helfen, die Brände einzudämmen. Was konkret müssen die
Katastrophenhelfer in den betroffenen Gebieten tun – abgesehen von der
Brandlöschung?
Paschen: Das
wichtigste Ziel ist, die Bevölkerung möglichst frühzeitig aus der akuten
Gefährdungszone herauszubegleiten, also zu evakuieren. So werden
medizinische Notfälle verhindert. Beim Waldbrand ist also, genau wie bei
Überflutungen oder Sturmfluten, der erste Schritt, zu schauen, wo
Einwohnerinnen und Einwohner in Gefahr sind und welche Schulen oder
öffentlichen Gebäude als Notunterkünfte verfügbar sind. Ich kann mir
aber vorstellen, dass es mit der Evakuierung in Brasilien angesichts
eines so großen Brandes sehr schwierig wird.
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