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Die USA sind das Ziel der
Flüchtlingskarawanen, die durch Mexiko ziehen. Doch wer hat Interesse,
die Menschen zur Flucht zu bewegen? Um diese Fragen ranken sich viele
Verschwörungstheorien. Was ist wahr, was nicht?
Sowohl in den USA als auch in
Mittelamerika wird ein Kampf um die Deutungshoheit über die jüngsten
"Karawanen" von Migranten geführt, die mittlerweile in Mexiko angekommen
sind und weiter nach Norden ziehen. Einige Stimmen beschreiben die
Mobilisierung von rund 9000 Honduranern, Salvadorianern und
Guatemalteken als ein "unnatürliches" Phänomen, das von einem Bündnis
autokratischer Herrscher Lateinamerikas und mächtiger Wirtschaftsgruppen
vorangetrieben wurde, um US-Präsident Donald Trump im Vorfeld der
"Midterm-Wahlen" zu schaden.
Sowohl Nicaragua als auch Venezuela wird
vorgeworfen, die jüngsten Karawanen zu sponsern, um so die mediale
Aufmerksamkeit von ihren Ländern abzulenken. Beide stehen wegen
systematischer Verletzung der Menschenrechte im Visier der
Weltöffentlichkeit. Die honduranische Regierung beschuldigte jüngst die
Oppositionspartei LIBRE, eine Marionette des venezolanischen Staatschefs
Nicolás Maduro zu sein und über dreitausend verzweifelte Landsleute zur
Migration bewegt zu haben. Honduras und Guatemala haben Untersuchungen
angekündigt, um die "Förderer" der Migrantenkarawanen zu bestrafen.
Migranten werden instrumentalisiert
"Das
Völkerecht sieht keine Sanktionen für diejenigen vor, die Migranten
Hilfe leisten", sagt Frank Wolff, vom Institut für Migrationsforschung
und interkulturelle Studien (IMIS) in Osnabrück. "Die Staaten können
aber Akteure bestrafen, wenn sie diese Hilfen als Kriegs- oder
kriminelle Handlungen einstufen. Internationale Abkommen verpflichten
alle Staaten, ihren Bürgern jederzeit die Möglichkeit zu geben, ihr
Territorium zu verlassen. Aber während kein Staat die Pflicht hat,
Migranten, die das eigene Staatsgebiet durchqueren, zurückzuhalten, hat
auch kein Land die Pflicht, Migranten aufzunehmen. Dieses Rechtsvakuum
versetzt die Migranten in eine verletzliche Lage", erläutert der
Migrationsexperte.
Die
Migrantenkarawanen würden derzeit von allen Seiten instrumentalisiert,
so Wolff. Dabei hätten sie sich aber spontan gebildet und seien nach und
nach gewachsen, weil die Menschen sich auf dem gefährlichen Weg nach
Norden in größeren Gruppen sicherer fühlen. Bei diesem Wachstum der
einzelnen Gruppen hätten auch die Sozialen Medien eine große Rolle
gespielt.
"Außerdem träumen nicht alle diese
Migranten davon, sich in den USA niederzulassen. Die Migrantenzüge, die
sich da in Bewegung gesetzt haben, schrumpfen und wachsen täglich, da
jeden Tag Hunderte von Migranten sich entweder anschließen oder die
Gruppe wieder verlassen", fügt Wolff hinzu.
Abstimmung mit den Füßen
"Zusammenschlüsse
dieser Art sind Manifestationen sozialer Prozesse, die nicht neu sind",
befindet Günter Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung
Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Diesmal würden die Karawanen
aber mit den für Trump wichtigen "Midterm"-Wahlen zusammenfallen und der
Übernahme der mexikanischen Präsidentschaft durch den progressiven
Andrés Manuel López Obrador. Die Regierungschefs in Venezuela und
Nicaragua, Nicolás Maduro und Daniel Ortega, mögen die Karawane als
willkommenen Affront gegen das Weiße Haus sehen, aber aus Maiholds Sicht
hat keiner der beiden diese Karawane angestachelt.
"Es
überrascht mich nicht, dass so viele Honduraner, Salvadorianer und
Guatemalteken ihren Ländern den Rücken kehren. Ich würde sagen, dass sie
mit den Füßen abgestimmt haben, weil sie den Glauben an die
Veränderungsmöglichkeiten an der Wahlurne verloren haben", sagt Günter
Maihold und zählt die Gründe auf, die Menschen in Mittelamerika in den
Exodus treiben: Mangel an Arbeit, Bildungschancen und öffentlichen
Dienstleistungen, Verschlechterung des Sozialgefüges, Armut sowie die
hohe Wahrscheinlichkeit Opfer krimineller Banden, politischer oder
geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.
Viele Gefahren auf dem Weg nach Norden
"Es
überrascht mich auch nicht, dass es viele Aktivisten und NGOs gibt, die
Migranten auf ihrem gefährlichen Weg durch Mittelamerika und Mexiko
unterstützen, fügt Maihold hinzu. Frank Wolff vom IMIS stimmt dem zu:
"Der Charakter dieser Karawanen ist dezentral, aber sie wirken als
Magnet für viel Mittelamerikaner, da sie ein Gefühl der Sicherheit
vermitteln. Frauen, Jugendliche und Kinder profitieren am meisten vom
Zusammenhalt der Karawane", so der Osnabrücker Forscher.
"Die
Karawane wird bestimmt nicht als einheitlicher Monolith an der Grenze
zu den USA ankommen, wie Trump und seine Anhänger sich vorstellen",
meint Wolff. Sie würden sich vorher in kleinere Gruppen aufteilen und
entlang der porösen Grenzlinie nach Möglichkeiten suchen sie zu
überqueren. Nur so hätten die Migranten eine Chance in die USA zu
kommen, und das wüssten sie auch. "Das ist es, was sie in den letzten
fünf oder sechs Jahren schon getan haben", sagt Günter Maihold. "Die
aktuellen Karawanen sind ungewöhnlich groß, aber sie sind nicht die
Ersten".
Evan Romero-Castillo
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