Martin Schulz in Curitiba: «Ich habe einen sehr mutigen und kämpferischen Mann erlebt.» Foto: Andre Rodrigues
dpa
Martin
Schulz auf neuer Mission: Der Ex-SPD-Chef besucht in Brasilien einen
der prominentesten Häftlinge der Welt: Ex-Präsident Lula. Er setzt
darauf, dass Lula doch noch bei der Wahl im Oktober antreten kann. Der
Gefängnisbesuch in Wahlkampfzeiten ist nicht unumstritten.
Curitiba
(dpa) - Der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat den inhaftierten
Ex-Präsidenten Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, im Gefängnis
besucht und eine Wahlempfehlung für ihn ausgesprochen.
«Ich
habe einen sehr mutigen und kämpferischen Mann erlebt», sagte Schulz
nach dem Besuch im südbrasilianischen Curitiba. In allen Umfragen für
die Präsidentschaftswahl im Oktober führt Lula - trotz der Haft. Die SPD
hat seit langem enge Kontakte zur linken Arbeiterpartei Lulas (PT) -
diese will mit internationalem Druck erreichen, dass Lula bis zur Wahl
am 7. Oktober freikommt und wieder Präsident werden kann.
Zwar
gibt es einige Zweifel an der Verurteilung Lulas zu zwölf Jahren Haft
wegen Korruptionsvorwürfen, zudem sind noch nicht alle
Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Aber dennoch wurde in
brasilianischen Medien die Frage aufgeworfen, ob sich Schulz nicht in
innere Angelegenheiten einmische. «Keine Macht der Welt kann mich daran
hindern, zu einem Mann, den ich seit vielen Jahren kenne und dem ich
vertraue, zu sagen: Ich glaube dir», sagte Schulz. Lula sei für ihn ein
Freund.
Brasilien
stehe am Scheideweg - auch hier drohe ein Rechtsruck mit mehr
Abschottung. «Das ist eine Wahl von weltweiter Bedeutung», sagte der
frühere Präsident des Europaparlaments. Von 2003 bis 2010 schaffte der
frühere Gewerkschafter Lula es, Millionen Menschen aus der Armut zu
holen - dank hoher Rohstoffpreise erlebte das
210-Millionen-Einwohner-Land eine Blütezeit. Allerdings wurde besonders
auch die PT von mehreren Korruptionsskandalen gebeutelt, die die Justiz
bis heute beschäftigen. Im Fall Lula geht es im Kern um ein von einem
Baukonzern modernisiertes Apartment am Atlantik; im Gegenzug für
Auftragsvergaben. Lula sieht sich als politisches Opfer, allerdings gibt
es Indizien, die gegen ihn sprechen. Er verweist jedoch darauf, gar
nicht der Besitzer der Immobilie zu sein.
Die
Umstände des Prozesses «werfen ein Licht des Zweifels auf die
brasilianische Justiz», sagte Schulz vor dem Gefängnis zu Anhängern
Lulas, die riefen: «Lula ist unschuldig» und «Lula Presidente.» Das habe
auch das Menschenrechtssekretariat der Vereinten Nationen
problematisiert. Die UN-Behörde hatte die Regierung aufgefordert, Lulas
Kandidatur zu ermöglichen, da über die Berufung noch nicht entschieden
worden sei. Kann er nicht kandidieren, wird wohl der frühere
Bürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad, ins Rennen geschickt - er
besuchte Lula zusammen mit Schulz in der Zelle.
Schulz
betonte mit Blick auf diplomatische Bedenken, auch die ehemaligen
Präsidenten Uruguays und Kolumbiens, José Mujica und Ernesto Samper,
hätten Lula schon in Curitiba besucht. «Das ist eine Reise, die ich für
die SPD mache», sagte der Kanzlerkandidat von 2017 der Deutschen
Presse-Agentur. «Auf Bitten von Andrea Nahles mache ich das», betonte
Schulz mit Blick auf die SPD-Chefin. Er setze auf einen Wahlsieg der PT.
Schulz bekam von Lula eine handschriftliche Notiz, in der stand: «Ich
zähle auf die Solidarität des deutschen Volkes.»
Die
PT-Chefin Gleisi Hoffmann äußerte im Gespräch mit der dpa die Hoffnung,
dass bis zu 80 Prozent der Lula-Wähler Haddad die Stimme geben könnten,
wenn Lula nicht antreten kann. Organisiert wurde die ungewöhnliche
Reise von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Das Bundesverfassungsgericht
hatte politischen Stiftungen im Ausland in einem Urteil von 1986 für
Wahlkampfzeiten ein Distanzgebot auferlegt - Schulz betonte, er mache ja
keine Wahlkampfauftritte für die PT. Auch mit Außenminister Heiko Maas
(SPD) habe er natürlich darüber geredet.
Hinter
Lula rangiert in Umfragen der Rechtspopulist Jair Bolsonaro auf Platz
zwei. Er lobte die Militärdiktatur von 1964 bis 1985 und hetzte gegen
Schwarze und Homosexuelle - er wird auch als «Trump Brasiliens»
bezeichnet. Bolsonaro könnte mehrere Militärs in sein Kabinett berufen.
Und auf «Brasilien zuerst» mit Abschottung setzen.
Schulz
betonte, Lula und die PT stünden für Multilateralismus - gerade auch
gegenüber Europa. Das sei politisch wie ökonomisch auch wegen der
Entwicklungen in den USA unter Präsident Donald Trump wichtig. Zudem
spiele Brasilien auf UN-Ebene und beim Kampf gegen den Klimawandel eine
Schlüsselrolle. Unter der Regierung des konservativen Präsidenten Michel
Temer habe sich Brasilien zunehmend isoliert.
dpa
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