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Freitag, 8. Juni 2018

Anthony Bourdain tot

Panorama

  Die Stimme aller Köche ist für immer verstumm

(Er war auch  zweimal in Uruguay) 


Anthony Bourdain
Der Starkoch Anthony Bourdain wurde tot in einem Hotelzimmer in Frankreich gefunden. Der Sender CNN, für den er gerade die Reportage „Parts Unknown“ drehte, bestätigte seinen Tod. Demnach beging er Selbstmord.
Quelle: Reuters 

Anthony Bourdain nutzte sein schlechtes Image glamourös aus. So wurde er zum vielleicht größten Abenteurer der TV-Köche, reiste um die Welt und probierte einfach alles. Mit 61 Jahren ist er gestorben.

Hervorragende Köche können hervorragend kochen. Aber die weltweit populären Stars der Küche sind vor allem gute Geschichtenerzähler; leidenschaftliche Selbstdarsteller, die ihre Passion all denen vermitteln, die jeden Tag essen, und das sind bekanntlich alle. Der amerikanische Koch Anthony Bourdain war ein geborener Aktivist der Küchenselbstdarstellung, „the Elvis of bad boy chefs“ – ein Mann, der sein schlechtes Image glänzend nutzte.
Nun ist er mit 61 Jahren gestorben. Der Sender CNN, für den er mehrere Reportagen gedreht hatte, bestätigte am Freitag seinen Tod durch Suizid. Bourdain wurde am Freitagmorgen von einem Kollegen in Frankreich in seinem Hotelzimmer im elsässischen Ort Kaysersberg aufgefunden. Eigentlich wollte er in Straßburg einen Beitrag für seine Serie „Parts Unknown“ drehen.
Bourdains Familie stammte zum Teil aus Frankreich, er wuchs in New York auf, entschied sich für eine Laufbahn als Koch und leitete nach verschiedenen Stationen das Restaurant Brasserie „Les Halles“ in New York, benannt nach dem legendären Großmarkt in Paris.
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Sein Durchbruch als Autor kam mit einem Artikel 1999 im „New Yorker“. Titel: „Essen sie nichts, bevor Sie das lesen“. Bourdain beschrieb seine Erfahrungen in verschiedenen Küchen – und ein paar seiner eigenen Gewohnheiten. Daraus wurde 2000 das Buch „Geständnisse eines Küchenchefs“, ein weltweiter Bestseller. Bourdain gab offen seinen Drogenkonsum zu, er beschrieb Ehrgeiz, Selbstausbeutung, Sadismus und Masochismus am Herd.
Und genau darin lag Bourdains Geheimnis: Viele Köche können über ihre Aromakombinationen berichten, den Geschmackssinn oder eine perfekte Weinbegleitung. Damit wollen sie vor allem Gäste von ihrer Arbeit überzeugen, neues Publikum für ihre Restaurants anlocken. Bourdain aber schrieb das Buch in erster Linie für Köche – die „Lebenslänglichen“ der Gastronomie, all die, die über Jahrzehnte täglich 16 Stunden im Neonlicht schuften und doch nie über eine schlechte Bezahlung hinauskommen.
FILE PHOTO: Chef and television personality Anthony Bourdain arrives at the 65th Primetime Creative Arts Emmy Awards in Los Angeles, California, U.S., September 15, 2013. REUTERS/Jonathan Alcorn/File Photo
 
„Köche regieren die Welt“: Anthony Bourdain liebte das Glamourlicht
Quelle: REUTERS
Passend dazu lautete der Untertitel „Was Sie nie über Restaurants wissen wollten“. Die Geständnisse über mangelnde Hygiene sind zahlreich. Zu Bourdains praktischen Hinweisen für Restaurantbesucher gehörte etwa, dass man an Montagen lieber kein Fisch bestellen soll, weil selbst in guten Lokalen noch welcher vom Wochenende übrig ist, der weg muss.

Warzenschwein-Anus oder Chicken McNuggets?

Bourdain nutzte seine neue Bekanntheit grandios aus. Er schrieb Krimis, ging auf Reisen, um neues und altes Essen zu probieren, er scheute sich vor der Kamera vor keiner Spezialität, seien es Schafshoden in Marokko oder rohe Robben-aufäpfel in der Arktis. Das Schlimmste, was er je gegessen habe, sei der Anus eine ungewaschenes Warzenschweins gewesen, sagte Bourdain leichthin – außer Chicken McNuggets; eine typische Pointe für ihn. Sein Ton und sein cooles Auftreten brachte ihm viel Popularität ein. Seine Dokumentationen waren in Deutschland unter anderem bei Kabel Eins zu sehen.
Wer Essen möge und einigermaßen nett am Tisch sei, mit dem wolle er sein Brot brechen, sagte er. Er sei stolz darauf, mit folgenden Menschen zu Abend gegessen zu haben: Hizbollah-Unterstützern, kommunistischen Funktionären, Anti-Putin-Aktivisten, Führern der christlichen Milizen, palästinensischen und israelischen Siedlern, Cowboys, Feministinnen bis hin zum reaktionären Rockstar Ted Nugent.

Unvergessen ist auch sein Bier mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama in Vietnam. Der Mann, der sich stets selbst als Punk sah, war zum Kumpel des Mannes im Weißen Haus auf- oder abgestiegen, je nachdem, wen man fragte.
„Köche regieren die Welt“ lautete der letzte Satz seines größten Bestsellers. Das mag übertrieben gewesen sein, wie so vieles, was Bourdain von sich gab. Was bleibt, ist, dass er allen, die seinem Berufsstand angehören, neues Selbstvertrauen eingeimpft hat. Mehr kann ein Koch nicht erreichen.
In der Regel berichten wir nicht über Selbsttötungen – außer die Tat erfährt durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Sollten Sie selbst das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie anonym Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

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