45 Jahre lang flog die Lufthansa regelmäßig nach Caracas, nun stellt sie die Verbindung ein. Konkurrenten reagieren ähnlich - Venezuelas größter Flughafen wird damit zum Sinnbild der Staatskrise.
Beim Landeanflug auf Caracas fällt auf: Kein einziges Frachtschiff liegt vor Anker, nur wenige Container stapeln sich im Hafen. Willkommen in Venezuela, im Land mit der höchsten Inflation und einer sozialistischen Regierung, die die eigene Bevölkerung kaum noch ernähren kann. Zum Sinnbild der Krise ist der internationale Flughafen "Simón Bolívar" geworden.
"Es traut sich kaum noch einer hierher", sagt Mujica. Sie sind mit einem der letzten Lufthansa-Flüge nach Caracas gekommen. Die Stimmung am Flughafen ist fast schon gespenstisch. Drei Verkäufer des Duty-free-Shops drehen sich auf Drehstühlen um die eigene Achse und daddeln auf ihren Handys herum. Kunden? Fehlanzeige. In der Nähe der Schalter von zwei Autovermietern warten zwei Männer, die Koffer in Plastikfolien einwickeln, vergeblich auf Kundschaft. Der Tourismusschalter ist verwaist. Dafür gibt es viel Militär.
Seit 1971 bietet die Lufthansa Flüge nach Caracas an, ab Freitag werden sie vorerst eingestellt. Das Büro bleibt hier aber geöffnet, man hofft auf einen Umschwung. "Die schwierige wirtschaftliche Lage und die fehlende Möglichkeit, lokale Währungsbestände in US-Dollar zu transferieren, haben zu diesem Schritt geführt", sagt Sprecher Thomas Jachnow. Grund für die Misere ist ein fast schon abenteuerliches Wechselkurssystem.
Kaum Erlöse für Fluggesellschaften
Der Staat legt die Kurse fest, die aber viel niedriger sind als die inoffiziellen Kurse, die Spanne reicht von zehn Bolívares für einen Dollar bis zu tausend Bolívares auf dem Schwarzmarkt. So können Airlines zum Beispiel kaum Gelder erlösen mit Tickets, die in Bolívares verkauft werden - das Land leidet unter der höchsten Inflation weltweit. Lufthansa hat in Venezuela Forderungen im dreistelligen Millionenbereich offen.
Auch die chilenisch-brasilianische Airline Latam wird ab August ihre Flüge nach Venezuela einstellen, getan haben dies bereits unter anderem Alitalia, Gol (Brasilien) und Tame aus Ecuador. Da Einnahmen zum sehr schlechten Zentralbankkurs gewechselt werden müssen und Geldüberweisungen der Airlines wiederholt blockiert wurden, gibt es immer weniger Flüge. Touristen kommen fast keine mehr. Nach Angaben des Portals Aerotelegraph ist Venezuela mit 3,78 Milliarden Dollar an Außenständen bei Airlines weltweiter Spitzenreiter, gefolgt von Nigeria, dem Sudan und Ägypten.
Das trifft gerade Leute wie Manuel Villoria. Seit 33 Jahren fährt der 67-Jährige mit dem Taxi die Strecke vom Flughafen in der Vorstadt Maiquetía ins Zentrum der Millionenmetropole Caracas. "So schlimm war es noch nie. Jetzt gibt auch noch die Lufthansa auf." Machte er früher drei bis vier Fahrten am Tag, hat er heute immer wieder Tage ohne Fahrt - und damit komplett ohne Verdienst. "Ich verdiene 90 Prozent weniger. Es reicht fast nicht mehr zum Überleben."
Zu wenig Zucker für Coca Cola
Am Einreiseschalter empfängt ein überdimensionales Bild des Begründers des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", Hugo Chávez, die Ankommenden. Das Motiv zeigt ihn inmitten einer Menge junger Menschen, darunter der Slogan "Sigamos juntos" - "Lasst uns gemeinsam weitermachen". Doch der Lack ist ab von dem Sozialismusprojekt. Venezuela, reich an Naturschätzen und Schönheitsköniginnen, das Land mit den größten Ölreserven der Welt. Heute fürchten viele eine Gewaltexplosion.
Vor allem mangelt es an Devisen, um Güter einzuführen. Weil beispielsweise Gerstenmalz fehlte, lagen zeitweise 80 Prozent der Bierproduktion lahm. Überall gibt es Schlangen: vor Apotheken, Supermärkten und Bäckereien. Coca Cola musste mangels Zucker die Produktion drosseln. Hinzu kommt die Unsicherheit: Caracas gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt. So wird die Ankunfttafel am Flughafen immer überschaubarer. Lufthansa bietet vorerst immerhin noch Zubringerflüge mit Partnerairlines von Kolumbien und Panama an.
Kurz vor dem Flug LH 534 ist ein Air-France-Flug aus Paris gelandet. Mit knapp 80 Leuten an Bord, wie eine Stewardess sagt. "Dafür ist die Maschine auf dem Rückweg rappelvoll", berichtet sie. "Weil viele einfach nur noch weg wollen."
Georg Ismar, dpa/sto
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