Folgt man der Logik der ungarischen Regierung im Umgang mit
der Flüchtlingskrise, werden immer weitere Zäune folgen, solche aus
Draht ebenso wie politische, wirtschaftliche, menschliche. Doch Zäune
können das Problem nicht lösen.
von
Reinhard Veser
Griechenland,
Mazedonien, Serbien, Kroatien, Ungarn, Österreich und Deutschland haben
eines gemeinsam: Der Flüchtlingsstrom, der sich von der Ägäis über den
Balkan nach Norden zieht, bringt diese Staaten an die Grenzen ihrer
Leistungsfähigkeit. Wenn schon das große und reiche Deutschland mit
seiner starken Verwaltung angesichts der großen Zahl ankommender
Menschen kaum noch damit nachkommt, sie alle zu registrieren und
ordentlich zu versorgen, ist es nicht verwunderlich, dass die kleinen
und wirtschaftlich viel schwächeren Staaten Südosteuropas sich
überfordert sehen, selbst wenn die Flüchtlinge
dort nicht bleiben wollen, sondern nur durchziehen. Die Hilferufe ihrer
Regierungen sind verständlich. Es steckt ein Körnchen Berechtigung in
den ungarischen Klagen über die Untätigkeit Europas – so schäbig und
schändlich das Verhalten und die Rhetorik Viktor Orbáns gegenüber den
Flüchtlingen auch sind.
Autor: Reinhard Veser, Redakteur in der Politik.
Die ungarische Antwort auf diese Krise freilich
ist für Europas Zukunft eine tödliche Gefahr, gerade weil sie auch
außerhalb Ungarns so viele Anhänger hat. Das illustriert das Ergebnis
des Versuchs, das Problem mit dem Bau eines Zaunes an der EU-Außengrenze
den Nachbarn aufzuhalsen: Der nächste Schritt soll nun ein Zaun an der
Grenze zum EU-Nachbarn Kroatien sein. Folgt man dieser Logik, wird es
dabei nicht bleiben – weitere Zäune werden folgen, solche aus Draht
durch Europas Hain und Flur ebenso wie politische, wirtschaftliche,
menschliche. Das Problem mit den Flüchtlingen würde dadurch nicht
gelöst, dafür würden viele weitere Probleme geschaffen.
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Niemand in Europa weiß, wie man auf Dauer mit dieser Völkerwanderung umgehen soll. Gerade deshalb muss die EU
nun bei der kurzfristigen Bewältigung der damit verbundenen
Schwierigkeiten zusammenstehen – bei der Sicherung der Außengrenzen (wie
löchrig sie auch immer bleiben mögen) wie bei der menschenwürdigen
Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge. Für die Verhandlungen in der EU
kommende Woche heißt das: Die Ost- und Mitteleuropäer sollten bedenken,
dass sie angesichts der russischen Aggression in der Ukraine leicht in
eine Situation kommen können, in der sie auf die Solidarität der übrigen
EU angewiesen sind. Und Berlin sollte darauf verzichten, in dieser
Frage mit Mehrheitsentscheidungen zu drohen.
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