DEUTSCHLAND!
Skandale im Bio-Stall beunruhigen Verbraucher. Die Branche reagiert – mit einer irritierenden Selbstgefälligkeit.
DEUTSCHLAND zeo2 | Gute Produkte von gesunden, artgerecht gehaltenen Tieren! Das haben wir im Hinterkopf gespeichert, wenn wir ins Bio-Regal greifen, um Fleisch, Eier oder Milchprodukte zu kaufen. Doch die letzten Skandale um auf engstem Raum zusammengepferchte Bio-Hennen oder die Fernsehbilder von Bio- Puten in jämmerlichem Zustand sind empfindliche Nadelstiche ins Vertrauen der Verbraucher.
Dazu gehört auch die „Neuland”-Blamage um falsch deklarierte Masthähnchen, selbst wenn diese Organisation im strengen Sinn kein Bio-Verband ist. Konventionelle Qual-Hähnchen wurden im großen Stil jahrelang in Neuland-Ware aus artgerechter Tierhaltung umgewandelt und verkauft – der GAU für die Branche! Und Neuland stehen umfängliche Aufräumarbeiten ins Haus.
Jenseits solcher haarsträubender Einzelfälle lohnt der grundsätzliche Blick in den Bio-Stall. Wie läuft es mit der ökologischen Tierhaltung? Weil Kritik von Bauern und Verbänden schnell als Foulspiel übelwollender Bio-Feinde abgekanzelt wird, sei vorab eines klar ausgesprochen: Sowohl der Autor dieser Zeilen als auch die Redakteure von zeo2 sind bekennende Bio-Käufer.
Doch trotz der Vorzüge ökologischer Tierhaltung – etwa das großzügigere Platzangebot, das Pestizidverbot beim Anbau von Futterpflanzen oder der stark reduzierte Einsatz von Antibiotika – ist die aktuelle Zustandsbeschreibung des Sektors ernüchternd. Auch Ulrich Schumacher, Fachreferent bei Bioland, bescheinigt der Öko-Tierhaltung „schlechte Produktivität”, „Festhalten an überkommenen Haltungsmethoden wie der Anbindehaltung” (von Kühen – die Red.), „Schwachstellen bei der Tiergesundheit ”, „Nischendasein” und „Diskussionsbedarf bei Transport und Schlachtung”. Und das ist noch freundlich formuliert.
Schlechte Haltung, schlechte Fütterung
Albert Sundrum, Kasseler Professor für Tiergesundheit und -ernährung, hat sich auf die Schweinehaltung konzentriert. Sein Fazit: Die Tiergesundheit im ökologischen Schweinestall „unterscheidet sich nicht grundlegend von der Situation in der konventionellen Tierproduktion.”
Ein hartes Urteil, das er aber belegt mit Untersuchungen in den Jahren 2010 und 2012 in zehn Ökobetrieben: Von 11.638 Schweinen zeigten nur 20 Prozent der Schlachtkörper keine krankhaften Veränderungen. Vor allem „parasitär bedingte Leberschäden” sind weit verbreitet. Und: Die Lage hat sich gegenüber den Befunden einer ähnlichen Studie in den Jahren 2002 und 2003 nicht gebessert – schlechte Haltung, schlechte Fütterung, angegriffene Gesundheit.
Woher kommen die Probleme? Es ist nicht wegzudiskutieren, dass der Schweinefleischpreis so niedrig ist, dass auch Ökobetriebe unter großem Druck stehen und gutes Tiermanagement vom Markt nicht honoriert wird. Aber kann diese Generalausrede auf Dauer alles entschuldigen? Denn gesunde Tiere senken die Betriebskosten, weil der Tierarzt keine Rechnung schickt und die Schweine munter zunehmen. Viele Betriebe, das zeigt die Sundrum- Studie, werden ganz einfach unprofessionell geführt.
Fragt man in der Branche nach, welche Fortschritte in den letzten Jahren in der Tierhaltung erzielt wurden, wird man auf die Initiative Tierwohl gestoßen. Im Februar 2013 haben die drei großen Bioverbände Bioland, Demeter und Naturland die „Arbeitsgemeinschaft Tierwohl” gegründet.
Haben die Schweine genug Spielzeug?
Inzwischen hat man sich auf eine Checkliste geeinigt, mit deren Hilfe die Kontrolleure bei ihren Betriebsinspektionen das Wohl der Tiere prüfen sollen. Hat das Gefieder der Hühner einen schönen Glanz oder ist es stumpf und struppig? Sind die Euter der Milchkühe gesund oder zeigen sie Entzündungsmerkmale? Besitzen die klugen Schweine genug „Spielzeug”, um sich zu beschäftigen?
Eine prima Initiative. Nur: Warum braucht die Biobranche eigentlich 40 Jahre, um das Wohlbefinden der Tiere endlich zu einem wichtigen Kontrollthema zu machen? Das heißt doch im Umkehrschluss, dass die Betriebsprüfer bisher ganz andere Dinge im Blick hatten als die Fitness von Huhn, Schwein und Kälbchen Peter.
Quelle: TAZ taz.de
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