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Montag, 30. Juni 2014

Rasuren an der falschen Stelle?


Es ist eine geballte Ladung Männlichkeit, die in diesen Wochen weltweit über die Bildschirme flimmert. Und bei der Fußball-WM in Brasilien geht es natürlich nicht nur um den Sport: Es ist auch ein Schaulaufen aktueller Modetrends - und weil einheitliche Trikots allzu große Torheiten verhindern, bleiben Haut und Haare.
Und vor allem beim Friseur haben sich etliche Spieler heuer etwas ganz Besonderes einfallen lassen, selten zuvor waren so viele unterschiedliche Variationen zu sehen. Manche sind allerdings nicht mehr zu sehen, weil die sportlichen Leistungen nicht mit den modischen mithalten konnten und nach der Gruppenphase die Heimreise angetreten werden musste. Den Mutigen gehört nicht immer die Welt.

Ronaldo gegen Neymar

Einmal mehr sticht da der portugiesische Superstar Cristiano Ronaldo hervor. Er überraschte beim zweiten Spiel seiner Mannschaft mit einer rasierten Zick-Zack-Linie. Die Welt rätselte über die Motivation dahinter und gab sich mit einem per Twitter verbreiteten Gerücht zufrieden, dass Ronaldo damit seine Solidarität mit einem kleinen Buben zeige, für dessen Gehirnoperation er gespendet habe. Nachdem die Geschichte dementiert wurde, sollte das Muster wohl nur schön sein. Aber nicht schön genug: Am Donnerstag gegen Ghana lief Ronaldo bei seinem letzten Auftritt dann mit ganz rasierten Seiten auf.
Fußballer Neymar, Cristiano Ronaldo und Dani Alves
Reuters/Michael Dalder; AP/Paulo Duarte; APA/EPA/Robert Ghement (Montage)
Duell der Giganten: Neymar, Ronaldo, Alves
Schon lange machte allerdings Brasiliens Jungstar Neymar Ronaldo den Platz um den Frisurchampion strittig. Dass er bei großen Turnieren Friseurbesuche zwischen den Spielen einstreut, hat schon Tradition, auf diversen Websites gibt es quasi die Schnittmuster für mutige Fans. Neymar tauchte jedenfalls beim zweiten Antreten auch mit neuer Frisur auf, seitlich ein bisschen kürzer und ein paar hellere Strähnchen. Netten Menschen fällt dazu das Wort „extravagant“ ein. Teamkollege Dani Alves wollte ihm da in nichts nachstehen und lief gegen Mexiko mit einer gewagten Graufärbung auf.

Rasierte Linienführung

Ronaldo ist aber mit seinen Rasierspuren nicht alleine. Teamkollege Nani ließ sich ein paar Sternchen ins Haar schnitzen, und etliche andere Kicker wie der Kroate Ivan Perisic, der Argentinier Sergio Aguero und der Algerier Saphir Taider setzen auf rasierte Striche, teils zur Scheitelbetonung.
Fußballer Sergio Aguero, Ivan Perisic, Saphir Taider
APA/EPA/Jorge Zapata, Chema Moya, Peter Powell (Montage)
Rasierte Striche, rasierte Brauen im Vanilla-Ice-Stil warten noch auf ihr Comeback

 

Der Irokesenschnitt ist zurück

Ein Comeback feiert der Irokesenschnitt: Vor zehn Jahren noch häufig zu sehen, verschwand er kurz von der Bildfläche. Der Italiener Mario Balotelli hat ihn wieder salonfähig gemacht. Der Kroate Danijel Pranjic trägt ihn und auch Serey Die aus der Elfenbeinküste, noch dazu blond gefärbt.
Fußballer Mario Ballotelli, Danijel Pranjic, Serey Die
APA/AP/Antonio Calanni, Dolores Ochoa, Natacha Pisarenko (Montage)
Der Irokesenschnitt in mehrfacher Ausführung
Einzelne Haarteile zu färben ist überhaupt den Mutigsten vorbehalten, allzu groß ist die Gefahr, sehr an die Haarpracht eines Stinktiers zu erinnern. Dennoch: Neben Neymar beschritten auch der Franzose Paul Pogba, der Ghanaer John Boye und sein Teamkollege Asamoah Gyan diesen schmalen Grat.
Fußballer Paul Pogba, John Boye und Asamoah Gyan
APA/AP/Matthias Schrader, Reuters/Marcos Brindicci (Montage)
Gyan mit blonder Rückennummer, Pogba und Boye finden helle Streifen hübsch

An der falschen Stelle rasiert?

Der vielleicht am meisten verbreitete Trend ist jedenfalls der, die Seiten kurz zu scheren - neben den Irokesenschnitten gibt es auch etliche andere Varianten zu sehen, die sich im Wesentlichen dadurch unterscheiden, wie viele Haar auf dem Schopf bleiben und was dann mit ihnen gemacht wird. Der Algerier Nabil Ghilas hat etwa sein Resthaar zu einem neckischen Schwänzchen zusammengebunden. Den Look von „Mr. T“ aus dem „A-Team“ haben der Portugiese Raul Meireles und Charles Itandje, Torwart von Kamerun, ausgegraben.
Fußballer Charles Itandje und Raul Meireles
Reuters/Murad Sezer; APA/EPA/Jose Sena Goulao (Montage)
Itandje und Meireles, durchaus furchteinflößend

Oben hübsch, seitlich praktisch

Eine Art breiten Irokesenschnitt tragen etwa der Argentinier Marcos Rojo, der Schweizer Granit Xhaka, der Chilene Gary Medel, der Algerier Riyad Mahrez und der Belgier Toby Alderweireld. Das Modell „Stegosaurus“ des Italieners Stephan El Shaarawy war leider nur auf der Ersatzbank zu bewundern.
Fußballer Alexandre Song und Raheem Sterling
APA/AP/Marcelo Sayao; APA/EPA/Peter Powell (Montage)
Der Engländer Raheem Sterling und der Kameruner Alexandre Song erinnern mit ihren Frisuren ein bisschen an Bart Simpson

Französische Asymmetrie

Besonders fesch gemacht haben sich heuer die Franzosen. Rasur an den Seiten, längeres Hauptpaar mit einem Spritzer Asymmetrie. Vor allem Mathieu Debuchy ist modisch ganz vorne dabei, seine Teamkollegen Yohan Cabaye und Antoine Griezmann stehen ihm um kaum etwas nach.
Fußballer Mathieu Debuchy, Antoine Griezman und Yohan Cabaye
Reuters/Murad Sezer, Charles Platiau; AP/David Vincent (Montage)
Debuchy (oben, mit Gegner), Griezmann (unten, mit Ball) und Cabaye (mit stabiler Modelfrisur)

Afro-Comeback mit Belgien

Ein spätes Comeback feiert auch der Afrolook - vor allem Dank zweier Belgier: Marouane Fellaini und Axel Witsel. Ihre Haarpracht ist längst zum Markenzeichen der gesamten Mannschaft geworden. Unter den belgischen Fans sind etliche mit Afroperücken zu finden. Der Brasilianer David Luiz versucht es mit einer hellen Variante und erinnert an die 70er und 80er Jahre, als der exzessive Lockenkopf als das Must-have eines Kickers galt. Auch der Kameruner Benoit Assou-Ekotto trägt einen Afro, den er mit einem breiten Stirnband bändigt - und ist damit gleich doppelt Trendsetter.
Fußballer Marouane Fellaini, Axel Witsel und Benoit Assou-Ekotto
APA/AP/Natacha Pisarenko (Montage)
Fellaini (r.) will sich seinen Kopf rasieren, wenn Belgien Weltmeister wird

Man trägt wieder Stirnbänder

Denn das Stirnband galt seit dem Abtreten des Brasilianers Ronaldinho beim Fußball eigentlich als ausgestorben. Doch diesmal zeigten sich auch Mexikos Torhüter Guillermo Ochoa, Gervinho von der Elfenbeinküste und Christian Bolanos aus Costa Rica mit breitem schwarzen Stirnband. Das dünne Bändchen, das man früher öfter sah, gibt es kaum noch. Uruguay-Oldie Diego Forlan ist ihm treu geblieben, und auch Roger Espinoza aus Honduras trägt es.
Fußballer Guillermo Ochoa, Gervinho und Christian Bolanos
APA/EPA/Srdjan Suki, Georgi Licovski, Peter Powell (Montage)
Stirnbänder, die die Haare bändigen

Ausweitung der Tattoo-Zone

Wenig geändert hat sich an der Tätowierwut der weltbesten Kicker. Der „Full Sleeve“, also der volltätowierte Arm, ist nach wie vor in jeder Mannschaft mehrfach zu sehen, aber dazu wurde schon bei der EM vor zwei Jahren eigentlich alles gesagt.
In Brasilien ist lediglich eine kleine Ausweitung der Tattoo-Zone zu beobachten. Einige bisher eher unberührte Körperteile werden nun auch verstärkt verziert. So wachsen Tätowierungen langsam den Hals hinauf - zu sehen etwa bei den Chilenen Mede und Arturo Vidal sowie dem Argentinier Rojo. Und der US-Spieler Jermaine Jones hat sich sein rechts Knie verhübschen lassen.

Keine Frisur ist auch eine Lösung

Modisch und praktisch mögen es ebenfalls etliche Spieler: Sie haben sich gleich eine Glatze rasiert. Souleymane Bamba von der Elfenbeinküste, Vincent Aboubakar aus Kamerun, US-Kicker Michael Bradley, der Algerier Sofiane Feghouli und etliche andere sind ganz geschoren. Einige wenige setzen einen Vollbart als Kontrast hinzu, so etwa Didier Zokora (Elfenbeinküste). Besonders beliebt scheint das bei Keepern zu sein: Sowohl der US-Torhüter Tim Howard als auch der Algerier Rais Mbolhi treten so an.
Fußballer Didier Zokora und Tim Howard
APA/EPA/Robert Ghemet; AP/Themba Hadebe (Montage)
Zokora und Howard: Oben rasiert, unten nicht - auch Österreichs Teamtorhüter Robert Almer war zeitweise so zu sehen
Überhaupt hält der Trend zum Bart an, die Zahl der richtig Vollbärtigen a la Andrea Pirlo aus Italien scheint aber eher wieder am Schrumpfen zu sein. Einzug hält eher der Siebentagebart, man möchte fast vermuten, dass die Rasierzeit und -energie eher an anderen Kopfteilen investiert wird und dann der Bart halt ein paar Tage stehen bleiben muss.
Rodrigo Palacio
APA/Robert Ghement
Ein unumstrittenes Alleinstellungmerkmal hat der Argentinier Rodrigo Palacio: ein kleines Zöpfchen am Hinterkopf

Trendforscher auf verlorenem Posten

Und schließlich hat der bärtige Hipster als angesagtes Männermodell schon viel bessere Tage gesehen: Hipster ist ja eher zum Schimpfwort geworden, insofern wollen die, die welche sind, es nicht mehr sein. Und auch in Sachen Abgrenzung und Systematisierung wurde es zunehmend kompliziert, weil mittlerweile auch mit Kategorien wie Protohipster und Metahipster herumjongliert wird. Wer soll sich da noch auskennen?
Gut, dass gleichzeitig mit der WM jetzt auch der Begriff „spornosexuell“ wieder aufgekocht wird. Er stammt vom britischen Journalisten Mark Simpson, der schon die „Metrosexualität“ erfunden und damit den letzten großen - vermarktbaren - Männerstilhype ausgelöst hat. Das ist nun aber auch schon eine Weile her.
Was „Spornosexualität“ ist, bleibt zwar recht vage, hat aber irgendwas mit Sport und Pornos zu tun, und als Ikone hat man Cristiano Ronaldo auserkoren. Damit sollte der Hype auch nach der WM wieder verschwinden, schließlich gibt es außerhalb Portugals keine drei Männer, die Ronaldo irgendwie sympathisch oder nachahmenswert finden.
Christian Körber, ORF.at

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