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Montag, 26. Mai 2014

Geisterfahrräder für Tote


Thomas Rottenberg würde gerne auf weiße Fahrräder verzichten.
Die Fahrräder, sagte G., seien hübsch anzusehen gewesen. Obwohl er sie anderswo aufgestellt hätte. Dort, wo er auf seinem Sommertrip durch US-Großstädte weiße Fahrräder gesehen habe, erzählte er, wären sie nämlich „eher blöd“ gestanden. Eines hatte er an einer Laterne an einer stark befahrenen Kreuzung entdeckt. Das zweite an einem Geländer, das Fußgänger und Autos in einer Unterführung trennte. Und das dritte weiße Rad – mit Blumen in den Speichen – stand auf einer wild umtosten Verkehrsinsel. In unterschiedlichen Städten.

Vielleicht, sagte G., war es ja just die exponierte Lage, dass ihm die Räder überhaupt aufgefallen waren. Dass nicht nur die Rahmen, sondern auch Reifen, Felgen, Kette und Tretkurbel weiß waren, sei ihm aber sofort ins Auge gesprungen. Schön habe das ausgesehen. Gerade inmitten des laut rundherum dröhnenden Autoverkehrs wäre so ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum ein guter Denkanstoß. Ob man nicht auch in Wien ...

G. sah uns an. Am Tisch war es still geworden. Es dauerte, bis jemand das Wort ergriff: Wir seien froh, sagte ich, dass es in Wien keine solchen weißen Fahrräder gibt. Denn die weißen Fahrräder, erklärte meine Sitznachbarin G., sind mitnichten „Rad-Kunst“ am Straßenrand: Sie sind Mahnmale. Mahnmale für im Straßenverkehr tödlich verunglückte Radfahrer. Wo ein Radler – im Wortsinn – unter die Räder kommt, stellt man sie auf. So wie Kreuze auf Überlandstraßen: Zur Erinnerung – und zur Mahnung.

„Ghostbikes“, also „Geisterfahrräder“, nannten die, die im Jahr 2003 das erste weiße Fahrrad an einer Kreuzung in St. Louis (Missouri, USA) angekettet haben, diese Initiative. Die Idee ging um die Welt: Von Australien über Brasilien bis nach England, Litauen oder Singapur. Auch in Österreich, erklärten wir G., gab es schon Geisterräder. In Wien zuletzt im Oktober 2008 – seither gab es in Wien keinen tödlichen Radunfall mehr.

G. nickte – und klopfte auf die hölzerne Tischplatte: So sehr er sich über mehr Fahrräder in der Stadt freue, sagte er dann, könne er auf weiße Bikes tatsächlich gut verzichten.


http://vor.echonet.at/kolumnen/rottenberg/1820


Diese Fahrräder werden auch in Uruguay zu sehen sein.



"White Bicycles", erinnert die Organisation Radfahrer überfahren. Foto: Mariana Malek...
  
  


 
  

 
 

2 Kommentare:

  1. Ich hoffe, dass wir in La Paloma keine weisse Fahrräder zu sehen bekommen, aber so leichtsinnig wie die Leute fahren, wäre es ein Wunder. Sie fahren nebeneinander, auch wenn es für den Autofahrer so unmöglich ist vorbei zu fahren, sie fahren ohne Licht (was einem als Autofährer wirklich ängstigt) und biegen in Strassen ohne zu schauen, ob ein Auto kommt oder nicht. Das ist alles schön und gut außerhalb der Saison aber im Sommer zeugt es von Leichtsinn und Lebensmüdigkeit.

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  2. Schon nach 2 Wochen Aufenthalt in Uruguay waren wir fassungslos was im Verkehr so alles passierte. Wir kamen zu dem Schluss, das die Uys glauben sie hätten 2 Schutzengel. Denn die haben hier eine Menge zu tun. Vollbesetzte Motorräder mit Kleinkindern, Fußgänger die einfach los laufen, Autos die stur links fahren auch bei 25 km/h.Mit dem Licht ist schon besser geworden auch mit den Westen und Sturzhelmen, nur wer kann sich das leisten? Auf keinen Fall alle. Aber sehe oft im Geiste wie die Schutzengel alle Hände voll zu tun haben. Vielleicht haben die Uys wirklich zwei, denn einer hält das nervlich gar nicht durch. Möchte auch kein weißes Fahrrad sehen. Aber es wird einem vielleicht dadurch bewusster, wie gefährlich es sein kann. Falls man hier dann das auch noch auf Motorräder überträgt. bekommt Uy einen Zweiradwald.

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