Mittwoch, 29. Mai 2013
EIN GANZ NORMALER UMZUGSTAG
Flimmernde Luft versprach einen heißen Tag unter der andalusischen Sonne. Der Abschiedssommer zeigte sich von der Bilderbuchseite. Keine Wolke unterbrach das tiefe Blau des Himmels. Das Meer floss zäh am Ufer und umspülte träge die Berge.
Angesagt war der zweite Umzugstransport vom Berg zum Sammel-Lager in Málaga. Unser Haus versteckte sich auf dem Hügel La Rejana und war für große LKW´s nicht leicht zu bewältigen. Selbst Superprofis schlichen ätzend, stöhnend an uns vorbei und hatten angespannte Gesichter. Das normale "Hola" ließ nur beiläufiges Nicken zu, da man volle Konzentration benötigte um nicht in die unvorteilhafte Seitenlage zu geraten. War die kritische Stelle geschafft atmeten alle erleichtert auf.
Der Wagen hatte schon 2 Stunden Verspätung. Die Sonne stieg gnadenlos. Wir packten weiter Kartons mit Dingen voll, die für uns persönlich wichtig waren. Gott sei Dank konnte keiner sehen wie man kitschige Erinnerungen liebevoll einwickelte. Erstes Geschenk vom Sohnemann, Plastikvogel von der Ersten Liebe, Großmutters gehäkeltes Deckchen.... Alles Dinge die auch in den nächsten Jahren in irgendeiner Schublade verschwinden werden. Aber sie begleiten einen überall hin. Anfassbare Erinnerungen.
Inmitten des kreischenden Geräusches der Kleberolle hörten wir ein "HALLO"? Da ich kein Auto sah, dachte ich schon, nun ist es so weit und höre Stimmen. Bevor ich das Klebeband wieder ansetzen konnte, wurde das HALLO lauter und vor uns stand der Fahrer von der Umzugsfirma. Ohne Auto! Das stand 500m von uns entfernt und bockte, weil es keinen Sprit mehr hatte. Das Alkiauto hatte wohl eine defekte Stoffanzeige.
Nachdem wir einen kleinen 5l Kanister und mehrere leere Wasserflaschen zusammengesucht hatten, fuhr mein Mann mit dem Fahrer zur Tankstelle Richtung Dorf.
Kaum ertönte wieder das Jammern der Kleberolle als ein kräftiges Doppelhallo erklang. Diesmal standen zwei Packer vor mir, mit leicht verschwitzten Firmen T-Shirts. Sie strahlten mich an, als kämen sie täglich zu Fuß in die Berge zu ihren Kunden. Optimistisch fingen sie an die Kartons aufzulisten und mit Nummern zu versehen.
Die Sonne kletterte weiter und selbst Eidechsen wagten sich ohne Sonnenschirm nicht mehr auf die Straße. Es wurden noch Wetten angenommen ob es sich nur um eine defekte Benzinanzeige handelte oder ein anderer Schaden den Tag beendete. Endlich kamen die Autos. Es war doch nur Spritentzug. Nach einem kleinen Dieselspiegel, schnurrte das Autochen wieder.
Man wuchtete das Umzugsgut auf den Wagen, begleitet von den Zurufen des Fahrers, nicht so schwere Sachen einzuladen, da die Kiste sonst in die Knie gehen könnte. Der angestaute Elan ließ keine Pause zu und somit wurden sogar die Sicherheitsgurte vergraben, direkt unter den Umzugsdecken die unter den Kartons sich quetschten. „Trans la la la weltweit“ höhnte es von den T-Shirts.
Nach 2 Stunden und 10 l Trinkwasser war es geschafft. Man schloss die Ladeklappe und sehnte sich nach Wasser von Außen. Jeder dachte nur an Abkühlung. Das Meer lag uns zu Füßen und bestand aus Tonnen von erfrischendem Nass.
Man warf überschwänglich die Arme zum Abschied, jeder froh es endlich hinter sich zu haben. Der Motor jaulte auf. War wohl verschnupft keinen Dieselfusel mehr bekommen zu haben. Dann drehten sich kreischend die Räder durch. Der Motor schrie nun und das Hinterteil des Wagens begann zu tänzeln. Stückchenweise quälte er sich mit durchdrehenden Reifen den Berg hoch. Nach 50 m war die Reise beendet.
Die ersten La Rejana-Bewohner tauchten auf. Der ungewöhnliche Bergsound machte sie neugierig. Aus der Traum vom klammheimlichen Verduften, da die menschliche Bergzeitung um die Ecke lugte. Nun gab es nur eine kleine Gnadenfrist, bevor es ganz Torrox wusste.
Inzwischen kroch das Umzugsauto mit dem Spritproblem, rückwärts zum Ausgangspunkt. Es wackelte als hätte es zu viel gesoffen. Nun lud man einige Kartons aus um das Gesamtgewicht zu reduzieren und startete den zweiten Versuch.
Wieder schrie der Motor auf, wieder winkten wir und wieder roch es nach Gummi. Das Radprofil klebte auf der Straße. Der Maschinenruf gellte durchs Tal. Nun wusste es fast Jeder auch ohne der Bergzeitung, dass da bei den Difis irgendwas im Gange war.
Mühselig erkämpfte sich das arme Auto Meter um Meter. Aber irgendwann hatte die Kupplung die Nase voll und streikte. Ein letztes Aufheulen und man schlich wieder tänzelnd zurück und landete in der Auffahrt der Nachbarn. Die allerdings in Deutschland davon nichts mitbekamen. Falls nicht die weibliche Bergzeitung schon mit der linken Hand am Telefon hing und mit der rechten ein Fernglas umklammerte um in höchsten Tönen zu trällern: “Weist du schon, meine Liebe…….“
Irgendwie sah es langsam nach einer Party aus. Fremde Autos fuhren auf unseren Vorplatz um helfen zu können. Jeder hatte einen Plan wie man das Problem lösen könnte. Wir schleppten unsere letzten Wasservorräte hinaus. Immer mehr Menschen versammelten sich und freuten sich über die Abwechslung auf dem sonst so ruhigen Berg. Herr Difi stellte noch kühles Bier hinzu und plauderte mit jemanden vom Rio Seco, ob man nicht unten herum einen Weg benutzen könnte. Wir alle starrten den Mini-LKW an, der kein Mucks mehr von sich gab. Der Fahrer sprang genervt raus und riss die hintere Ladetür auf, da die Kartons wieder zurück mussten. Er dachte über seine Handlung zu spät nach, denn nur ein kühner Hechtsprung zur Seite bewahrte ihn vor fliegenden Kartons mit den Aufklebern “VORSICHT GLAS“. Nun wurden die Kartons mit vereinten Kräften geschüttelt und unsere Lauscher versuchten ein Scheppern zu orten. Als hinter mir eine Kunststoffkiste zerbrach und meine gesamten Kunstölfarben in den Dreck matschte, fing ich etwas an zu flattern. „Alles wird gut“. Man atmete tief durch und versuchte zu retten, was zu retten war. Der zweite Durchatmer wurde von dem Reißen eines Kartons unterbrochen. Nicht weit von mir lag der komplette Inhalt der kitschigen Erinnerungen, die ich liebevoll in Unterhosen eingewickelt hatte. Plastikvogel lugte aus Schießer-Dessous. Nun wühlte ich mich weiter in den Boden und versuchte krampfhaft nicht hinzukucken. Doch aus den Augenwinkeln erkannte ich den Gummihasen in blauer Spitzenunterhose. Irgendjemand schmiss die Sachen in einen neuen Karton und die Peinlichkeit wurde unterbrochen, da Herr Difi das Abschleppauto abholen musste, da es schon fast im nächsten Dorf gelandet war.
So langsam löste sich die Stehparty auf, denn man konnte nichts mehr tun. Auch der letzte Kartonfetzen war wieder in der Garage. Mein Blick traf einen Müllhaufen. Stundenlange Arbeit umsonst. „Alles wird gut“.
Nach einer Stunde kam Herr Difi zurück, ohne Abschleppdienst. Der wäre zu schwach für den LKW. Das Auto stand unschuldig in der Einfahrt und war bestimmt auf tiefste beleidigt, weil er nicht mal ein Bierchen abbekommen hatte.
Die Schatten wurden länger.
Es musste ca. 18:00 sein, da unsere Nachbarin Pam im schicken Leinenlook, wedelnd mit einer Sektflasche im Haus-Eingang stand. Ich hatte die Verabredung total vergessen. Verschwitzt und in dreckigen Klamotten, versuchte ich einen Begrüßungskuss mit maximaler Körperdistanz zu hauchen. Mein Grinsen wurde zur Grimasse, beißender Schweiß tropfte mir in die Augen.
Ich musste erst mal unter die Dusche. Es dauerte nur ein paar Minuten und schon jaulte wieder ein Motor auf. Diesmal hat ein anderer Abschleppdienst uns gefunden. Aber irgendwie schien die Beschreibung von der Autoschnapsdrossel nicht richtig zu sein, denn auch dieser schaffte das bockige Wägelchen nicht einen cm vom Platz. Pam stand auf dem Balkon und prostete dem Schauspiel zu. Hastig zog ich mir was über, denn nun war fast ganz La Rejana auf den Beinen.
Unsere Trinkvorräte wurden wirklich knapp. Außer bei Pam, die versorgte sich selber und fand das Spektakel von Minute zu Minute besser. Mein Mann kam mit einer Flasche Whisky angelaufen und ich fand noch Literabfüllungen vom süßen Cómpeter-Wein.
Ein letzter Versuch wurde gestartet, alle hielten die Luft an. Wieder drehten sich Räder durch und Gummi kroch in die Nasen aber das verschnupfte LKWchen kroch keinen cm weiter.
Zur Tagesschauzeit gab man es auf. Die Flaschen waren leer und müde Verabschiedungen tröpfelten in die Abendluft.
Mein letzter Blick galt dem einsamen Auto. Morgen, Morgen ist wieder ein ganz normaler Umzugstag.
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