Die Katzenvierlinge hatten sich gut eingelebt. Die Bodega war ihre Schlafhöhle, in der auch Idefix teilweise ein geduldeter Untermieter war. Ich brauchte nur in die Hände zu klatschen und die kleinen Katzenkörper wuselten mir alle entgegen. Tigger war fast immer der erste, dicht gefolgt von Filou. Puschel hechelte drei Meter hinterher und irgendwann kam dann auch Gamasche ruhigen Schrittes angeschlendert. Sein Fell war wie immer hochpoliert, gestriegelt und geplättet. Ich schätze er hat den Morgen mit einer ausgiebigen Maniküre begonnen.
Idefix wuselte freudig mit. Wenn ich „Tapa“ rief, rannten alle in Richtung Näpfe. Selbst Gamasche legte einen Schritt zu. Ich kam mir vor wie ein erfolgreicher Dompteur. Fünf Paar Katzenaugen blickten mich in freudiger Erwartung an. Die Vierlinge stopften alles in sich hinein. Ich hätte Schmierseife mit Tabascosoße servieren können. Sie machten vor nichts halt. Jeder Käfer, Ameise, Heuschrecke, Küchenabfall oder Grashüpfer wurden verputzt. Filou leckte sich dann mit seiner rosa Zunge das Schnäuzchen und schaute mich verschmitzt von der Seite an, als wollte er sagen: Proteine…Wichtig!!
Idefix war da etwas wählerischer oder vielleicht betrachtete er die Krabbeltiere auch nur als willkommenes Spielzeug.
„Du sollst nicht mit dem Essen spielen!“ raspelte zärtlich Obelix auf seinen kleinen Findling ein. Dabei streichelte eine riesige Männerpranke das Katzenköpfchen.
Unsere Hundedame Floh hielt sich immer noch dezent zurück. Zwar schnupperte sie an den Kleinen, blieb aber distanziert. Vielleicht ist man mit 1 ½ Jahren noch nicht reif für die Mutterrolle.
Der Einzug der Katersippe begann schleichend, fast unmerklich. Da wir tagsüber die Türen überall offen halten, war es nur eine Frage der Zeit, dass die Kleinen auf Entdeckungstour gingen.
„Die Vierlinge kommen mir nicht ins Schlafzimmer!“ ertönte es autoritär. „Natürlich nicht mein Liebling!“ säuselte ich zuckersüß zurück und schleppte den Hundekorb vom Schlafzimmer in den Wohnraum und drängte dabei Gamasche von der Couch weg, der gerade seinen Krallen an der Armlehne den letzten Schliff geben wollte. „Aber die Nacht verbringen sie draußen,“ setzt die männliche Stimme nach und übersah im Eifer der Anordnungen wie ich Tigger hastig von der Gardine pflückte. „Natürlich mein Liebling,“ und versuchte dabei hinter meinem Rücken Tiggers zweiten Versuch zu vereiteln. Ich versprach es und hatte ein paar Kratzspuren mehr an meinen Händen, da Tigger überhaupt nicht einsehen wollte, warum man in der Gardine nicht schaukeln darf.
Es begann eine wunderbare Zeit. Idefix war das Verbindungsglied aller Parteien. Er stiefelte in unser Bett und schmuste mit seinem Obelix, der wie auf Knopfdruck freudige Grunztöne von sich gab und seinen Liebling automatisch kraulte. Dann drückte der kleine Kater sich kurz an mich, um dann ins Hundekörbchen zu klettern. Floh atmete hörbar durch und akzeptierte die Pelzrolle. Ich glaube sie wartete schon auf den Besuch. Manchmal blieb Idefix draußen bei den Vierlingen. Floh versuchte dann mit dem Trick „Katze am Hinterbein ins Haus ziehen“, zu überzeugen. Aber es klappte nicht immer.
Es war ein Paradies……. bis der große Regen kam.
Der Regen kam ohne Vorwarnung. Wir wurden von Wassergeprassel geweckt. Die dicken Tropfen sprangen etwa einen Meter hoch und brachten Steine zum Singen. Unter den Geräuschen mischte sich ein Scharren und Kratzen mit lang gezogenen Katzentönen. Ich lief in die Richtung des Jammerns und überhörte die Bodegahinweise meines Mannes. Da stand Filou mit triefnassem Fell und sah aus, wie ein zitterndes Gerippe. Sie hatte wohl auf die komfortable Bodega-Luxus-Behausung verzichtet und es sich vor der Tür auf der Bank bequem gemacht. Das Kissen lag wie ein zerplatzter Wasserballon auf dem Boden und arbeitete sich langsam auf den Abfluss zu.
Filou lies sich mit einem Handtuch abrubbeln und schnurrte so laut er konnte. Ich drückte den kleinen Körper ganz fest an mich und spürte den schnellen Atem des Winzlings.
Der Regen verzog sich wieder und die Wassermengen wurden vom Land aufgesogen. Herr Difi setzte Filou schweigend in die schwarze, nasse Nacht und verschloss die Eingangstür mit Nachdruck.
Angesäuert schlief ich mit der größtmöglichsten Entfernung zum Katzenrausschmeißer wieder ein, um kurz darauf vom lauten Flohgebell geweckt zu werden. Floh raste mit aufgerichtetem Nackenfell zur Eingangstür. Wie von Marionettenfäden gezogen saßen wir senkrecht im Bett und lauschten. Nichts!! Allerdings haben unsere Lauscher schon einen beträchtlichen Altersverschleiß und lassen korrekte Angaben bezweifeln. Aber soviel wir uns auch anstrengten, nichts! Floh tänzelte unterdessen in Richtung Innenhof. Wir versuchten es mit Licht und mussten lachen, da keiner von uns eine Brille parat hatte. Die Hundedame beruhigte sich und wir lauschten uns, eng aneinander geschlungen, wieder in den Schlaf.
Am Morgen saß nur Filou vor der Tür und rührte sich nicht. Das Kissen befand sich schlaff, in einer Wasserlache, einige Meter entfernt. Irgendwas stimmte nicht. Ich lief zur Bodega. Es war niemand da. Normalerweise streichen 24 Tierbeine um mich herum und lauern auf Futter. Floh schnupperte an Filou und war sichtbar erregt. Idefix blieb im Haus und weigerte sich einen Schritt nach draußen zu machen. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magenecke klatschte ich in die Hände und krächzte „Tapa“. Nichts geschah.
Dann nach einer kleinen Ewigkeit ertönte ein klägliches Mautzen. Die beiden Tiere sahen nach oben. Ich folgte dem Blick und entdeckte Tigger auf dem Dach. Unfassbar wie er da hoch gekommen war. Er hatte ja noch Schwierigkeiten den Küchentresen zu erklimmen. Ungläubig sah ich zur Dachspitze. Herr Difi stand gähnend in der Tür und holte kommentarlos die große Leiter für eine Rettungsaktion. Er versuchte Tigger zu überreden das ungastliche Dach zu verlassen. Irgendwie begriff der Kater nicht. Herr Difi säuselte seinen Namen, bettelte er solle doch kommen, befahl, redete – Tigger blieb wie angewurzelt sitzen und traute der unausgeschlafenen Hilfe nicht. Herr Difi setzte zum Rücktritt an, um sich etwas anderes einfallen zu lassen. Und schon stand Tigger an der Dachkante zum Innenhof und maunzte steinerweichend. Der zweite Versuch klappte sofort. Das Tier lies sich vom luftigen Aufenthaltsort ergreifen und landete glücklich unter Floh, die ihn gründlich ableckte. Tigger genoss die Zuwendungen und leckte Floh die Hängeohren ab. Wir hätten bestimmt noch den ganzen Morgen darüber diskutiert, wie der kleine Kerl das wohl geschafft hat, aber es fehlten noch zwei Katzen.
Keiner dachte ans Essen. Filou und Floh führten mich durch den Garten zum Gemüsebeet. Ich hörte Herrn Difi die Katzennamen rufen. Seine Hände mussten vom Klatschen schon gerötet sein.
Filou blieb stehen und schaute auf ein Dränagerohr aus Kunststoff. Es war zerbissen!! Flohs Nase nahm eine Witterung auf. Dann bewegte sich das ganze Rohr und eine fremde Stimme schrie und schrie. Erst als mein Mann vor mir stand hörte ich auf. In dem Moment krauchte aus dem zerfetzten Rohr ein Lehmverkrustetes Wesen. Nur mit Mühe konnte man Gamasche erkennen. Da saß der kleine Kerl vor uns und reckte den verklebten Körper als wollte er uns sagen: „Pah, hier bin ich, ABER; ICH BIN DRECKIG!!!!! TUT WAS.“ Er muss sich klatschnass ins lehmverschmierte Rohr gerettet haben. Mein Mann untersuchte die zerbissene Dränage: „Entweder ein größerer Hund oder ein Fuchs?!“ sprach er mehr zu sich. „Ein Wunder das der Kleine das überlebt hat.“
Aber zwei Wunder an einem Morgen war zu viel für ein drittes. Wir fanden gegen Mittag Puschel. Er hat es nicht geschafft. Die Tierlaute eines Fuchses gaben die Antwort auf das Unglück.
„Die Tiere kommen in den Innenhof bis sie groß genug sind!“ entschied mein Mann.
Schweigend richteten wir das neue Domizil ein. Unter dem Tisch stellten wir Flohs Hundebox, die groß genug war für alle Babys. Da war es trocken und sicher. Ein Katzenklo musste eingerichtet werden. Bei dem Gedanken, dass es nur noch Drillinge waren, kämpfte ich mit den Tränen. Ich wagte meinen Mann nicht anzusehen, der sich umständlich räusperte und schniefte.
Floh übernahm von dem Tag an die Mutterrolle. Sie blieb in der ersten Nacht bei ihnen.
Und im Garten gab es eine traurige neue Stelle mit frischer Erde und Blumen.
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