El Niño narrt Meteorologen. Seit
Monaten soll das Wetterphänomen angeblich herrschen - jetzt stellt sich
heraus: Es kommt erst noch. Und zwar mit enormer Wucht. Auf dem halben
Globus könnte sich die Witterung gravierend ändern.
Es wirkt wie eine Farce. Vier Jahre lang hatten Meteorologen den Wetter-Rowdy El
Niño vorhergesagt. Im März meldeten sie endlich Vollzug, die
gravierende Witterung sei aufgezogen. Weltweit berichteten Medien
seither ausgiebig über mögliche Auswirkungen auf Niederschlag, Stürme
und Fischbestand.
Jetzt die Überraschung: El Niño ist gar nicht da - noch nicht.Der US-amerikanische Wetterdienst NOAA hat die Oberflächentemperaturen des Pazifik für den Zeitraum Januar bis März nach unten korrigiert, sie lagen demnach 0,1 Grad unterhalb der El-Niño-Schwelle. El Niño aber herrscht erst, sofern der tropische Pazifik fünf aufeinander folgende Dreimonatsperioden ein halbes Grad wärmer ist als normal. Soweit könnte es frühestens nächsten Monat sein.
Dann jedoch droht Ungemach. Der tropische Pazifik hat sich mittlerweile so stark aufgeheizt wie selten zuvor. "Wir erwarten in den kommenden Monaten einen der stärksten El Niños der vergangenen Jahrzehnte", sagt NOAA-Experte Mike Halpert.
El Niño ist eine Wetterschaukel, die alle paar Jahre hin- und herschwingt. Normalerweise pressen Passatwinde das Wasser des Pazifiks von Osten nach Westen; vor den Philippinen steht der Meeresspiegel deshalb knapp einen Meter höher als vor Chile.
Im Westen ist der Ozean dann etwa acht Grad wärmer. Vor Südamerika aber wird der Weg frei für kühles nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe, es quillt an die Oberfläche - und sorgt für Fischreichtum.
Bei einem El Niño flauen die Passatwinde ab, sodass das warme Wasser aus Asien zurückschwappt und sich wie ein Deckel auf das nahrungsreiche Tiefenwasser legt. Vor Südamerika bleiben folglich die Fischschwärme aus, daraufhin verhungern Seevögel und Robben zu Abertausenden; auch die Fischerei leidet.
Vielerorts steigen die Preise für Lebensmittel: Die veränderten Meerestemperaturen sorgen dafür, dass sich Regengebiete verlagern: Dürren drohen im Westen des Pazifiks, wo nun weniger feuchtwarme Luft aufsteigt, um Regenwolken zu bilden. Die Ernte wird knapper. Das dürregeplagte Kalifornien und andere Regionen im Osten des Ozeans hingegen können bei El Niño mit mehr Niederschlag rechnen.
Der aktuelle El Niño und einhergehende Wetteränderungen würden diesmal wohl schwach ausfallen, hatte die NOAA im März erklärt. Die mangelhafte Qualität der El-Niño-Prognosen wurde damit erneut bewiesen. Mittlerweile aber konkurriert die Warmwasserwalze im Pazifik mit jener 1997/98, als einer der heftigsten El Niños die halbe Welt mit Wetterkapriolen überraschte.
Im Osten habe sich der Pazifik bereits weiträumig um mehr als zwei Grad über den Durchschnitt aufgeheizt, berichtet die NOAA. Die Wärme fache über dem Pazifik vermehrt Hurrikane an; über dem Atlantik hingegen fallen die Stürme schwächer aus.
Was genau geschehen wird, lasse sich indes nicht vorhersagen; betont die NOAA. Es fehlten Vergleiche - El Niños der für den kommenden Winter erwarteten Stärke habe es erst zweimal seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen gegeben, erklärt die NOAA. Neben den Meerestemperaturen wirken zahlreiche andere Wetterphänomene. Das warme Wasser erhöhe lediglich die Wahrscheinlichkeit für typische El-Niño-Folgen.
Eine Prognose aber wagen die NOAA-Forscher mit Bestimmtheit: Das warme Wasser dürfte die Luft so stark aufheizen, dass 2015 den Rekord für das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen brechen dürfte. © SPIEGEL ONLINE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen