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Dienstag, 16. Januar 2018

Zwischenbilanz eines revolutionären Experiments: In Uruguay verkauft der Staat Cannabis

Erste Erfahrungen nach einem halben Jahr: In Uruguay bieten seit Juli Apotheken ganz legal Cannabis an, das vom Staat angebaut und verkauft wird.
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Seit Juli vergangenen Jahres ist Uruguay das erste Land der Welt, in dem der Staat Cannabis anbaut und verkauft. Der Vertrieb läuft über die Apotheken, die Kunden müssen sich registieren. Ein revolutionäres Experiment, das auch in Uruguay selbst umstritten ist. Welche Erfahrungen brachten die ersten sechs Monate?
Eine Apotheke in der Altstadt von Montevideo. Uruguay ist das erste Land der Welt, in dem der Staat offziell Cannabis anbaut und verkauft. Seit Juli vergangenen Jahres ist dies möglich. Das kleine Land in Südamerika mit seinen knapp dreieinhalb Millionen Einwohnern hat sich als erstes bei der Legalisierung von Cannabis derart weit vorgewagt. Der Verkauf in den Apotheken ist der dritte Schritt in einem komplexen Entkriminalisierungsprozess, der Ende 2013 begann.



Joint gegen einen Fingerabdruck

Auch Federico holt sich seinen Stoff ganz legal in der Apotheke. Voraussetzung ist, dass die Kunden sich registrieren lassen. Federicos Bilanz ein halbes Jahr nach Beginn des staatlichen Experiments: “Seit der Verkauf in den Apotheken begonnen hat, scheint das System wirklich gut zu funktionieren. Das einzige Problem ist, dass nicht viele Apotheken Cannabis verkaufen. Oft bilden sich vor denen, die welches verkaufen, lange Schlangen. Aber abgesehen davon habe ich den Eindruck, dass alles gut klappt.”
Bis heute haben sich in der Hauptstadt Montevideo 16 Apotheken dem offziellen Vertrieb über den Staat angeschlossen. Für einen Festpreis von umgerechnet etwas über einen Euro das Gramm kann jeder Kunde bis zu zehn Gramm Cannabis pro Woche kaufen. Allerdings ist der Verkauf auf uruguayische Staatsbürger beschränkt, sie müssen erwachsen sein und sich per Fingerabdruck ausweisen – auch wenn ihr Name anonym bleibt.


Den Dealern das Wasser abgraben

Dadurch soll die Abgabe kontrolliert bleiben und durch die Beschränkung auf Inländer auch Drogentourismus aus dem Ausland verhindert werden. Mit dem legalen Verkauf will der uruguayische Staat den Dealern das Handwerk legen. Der Wert des Schwarzmarkts wird auf vierzig Millionen US-Dollar jährlich geschätzt.
Anders als bei Dealern erhält die Kundschaft saubere, ungepanschte Ware. Mit dem Anbau hat der Staat zwei Privatfirmen beauftragt. Sie dürfen – abgeschieden von der Öffentlichkeit – vier Tonnen Cannabisblüten pro Jahr produzieren. Das nationale Institut für die Regulierung und Kontrolle von Cannabis bilanziert nach den ersten sechs Monaten, dass fast zwanzig Prozent der regelmäßigen Nutzer sich als Kunden für den legalen Verkauf registriert hätten. Diego Oliveira, Direktor des Instituts: “Das bedeutet, dass all diese Leute sich ihren Stoff nicht mehr illegal besorgen müssen. Damit gehen die Einnahmen nicht mehr in den Schwarzmarkt. Dies schränkt die Möglichkeiten des Drogenschmuggels zweifellos ein, zumindest beim Cannabis. Aber es ist noch zu früh, wir müssen noch weitermachen und das Ganze auswerten, das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.”

Mehrheit der Bevölkerung weiter gegen den legalen Verkauf in Apotheken

Die Gegner kritisieren, dass die neue Regelung nur noch mehr Zugang zu Drogen verschafft. Die Mehrheit der gut drei Millionen Uruguayer ist weiterhin gegen das Gesetz, das 2013 unter dem linken Präsidenten Mujica verabschiedet wurde. Auch die Nachfolge-Regierung unter Tabaré Vázquez steht dem Projekt mit gemischten Gefühlen gegenüber – Ziel der Freigabe sei, den Konsum zu reduzieren, nicht zu steigern, stellte der Präsident klar, man solle gar keine Drogen konsumieren. Politikforscherin Rosario Queirolo hat mehrere Studien zur Regulierung von Cannabis durchgeführt: “Das wird funktionieren, wenn die Regierung alle drei Ziele dieses Gesetzes erreicht: Erstens die Entkriminalisierung der Nutzer, zweitens die öffentliche Gesundheit, indem ein Stoff mit besserer Qualität hergestellt wird, und drittens die öffentliche Sicherheit, das heißt, dass man den Marihuana-Markt den Dealern entzieht und damit auch die Gewalt reduziert. Wenn die Regierung in allen drei Bereichen Erfolg hat, werden meiner Ansicht nach auch mehr und mehr Uruguayer dieses Projekt der Regulierung unterstützen.”

 Das Gesetz gestattet den Bürgern auch, für den Eigenkonsum bis zu sechs Hanfpflanzen anzubauen. Oder sich einem Club anzuschließen, der gemeinschaftlich Hanf anbaut und jedem Mitglied bis zu knapp einem halben Kilo im Jahr für den eigenen Bedarf überlässt. Martin hat sich für den Eigenanbau entschieden: “Der Vorteil ist, dass ich so genau weiß, was ich dann rauchen werde, und wie die Pflanze gepflegt wurde. Ich kann die Saat auswählen. Ich weiß gern, was ich rauche, und ich rauche gern dann, wenn ich Lust darauf habe, ohne Bürokratie, ohne von jemandem abzuhängen. Und vor allem ohne jeden Drogendealer.”

Euronews

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