Nach dem Votum des Abgeordnetenhauses für ein Amtsenthebungsverfahren bläst Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff zum Gegenangriff. Sie warf ihren Gegnern am Dienstag eine "Verschwörung" vor, die "das Fundament der Demokratie zerbricht" und keine politische Stabilität bringe. Nach dem Unterhaus muss nun bis Mitte Mai der Senat abstimmen - dann könnte Rousseff zunächst für bis zu sechs Monate suspendiert werden.
Am
Sonntag hatten mehr als zwei Drittel der Kongressabgeordneten für den
Beginn eines Amtsenthebungsverfahrens gestimmt. Rousseff wird vor allem
vorgeworfen, Haushaltszahlen geschönt zu haben, um vor der Wahl 2014
ihre Chancen zu verbessern. Doch hätten ihre Gegner keine Beweise für
Straftaten vorgebracht, die ein Amtsenthebungsverfahren rechtfertigten,
hielt sie entgegen.
Das
Votum vom Montag sei "nicht der Anfang vom Ende", sondern "der Beginn
des Kampfes" um ihren Amtsverbleib, sagte die linksgerichtete
Präsidentin und wies darauf hin, dass ihre Vorgänger allesamt beim
Haushalt getrickst hätten, niemand von ihnen deshalb aber belangt worden
sei. Sie bekräftigte, dass sie keiner persönlichen Bereicherung
angeklagt sei und auch keine "Konten im Ausland" besitze.
Damit
spielte die 68-jährige einstige Guerilla-Kämpferin auf
Parlamentspräsident Eduardo Cunha an, einen Vertreter der bis vor kurzem
mit ihr verbündeten Zentrumspartei PMDB, der der Korruption beschuldigt
ist. Er setzte sich über Monate hinter den Kulissen für Rousseffs
Amtsenthebung ein.
Cunha
übergab am Montag den vom Parlament ratifizierten Antrag auf die
Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens an Senatspräsident Renan
Calheiros. Forderungen von Cunha und anderen Oppositionspolitikern, das
Verfahren zu beschleunigen, erteilte Calheiro eine Absage. Das Verfahren
werde seinen rechtmäßigen Weg gehen, sagte der ebenfalls unter
Korruptionsverdacht stehende PMDB-Politiker.
Im
Senat reicht eine einfache Mehrheit, um Rousseff bis zu einer
endgültigen Entscheidung über ihr Schicksal für die Dauer von bis zu
sechs Monaten vom Amt zu suspendieren. Für Rousseffs endgültige
Amtsenthebung ist dann in einer weiteren Abstimmung eine
Zweidrittelmehrheit nötig.
Sollte
sie suspendiert werden, würde ihr Stellvertreter Michel Temer
automatisch an die Spitze Brasiliens rücken. Der 75-jährige bislang
wenig bekannte Chef der PMDB führt bereits Konsultationen für die
Bildung einer Übergangsregierung. Anhänger der Präsidentin weisen darauf
hin, dass Temer ebenfalls die Amtsenthebung drohen müsste, da er
Rousseffs Politik stets mitgetragen habe.
Knapp
hundert Tage vor Beginn der Olympischen Sommerspiele steuert das Chaos
in Brasilien somit einem neuen Höhepunkt zu. Bereits seit rund 14
Monaten ist das Land politisch gelähmt, zudem leidet es unter der
gigantischen Korruptionsaffäre um den staatlichen Ölkonzern Petrobras
und der schlimmsten Rezession seit Jahrzehnten.
Die
Wirtschaft, die auf eine ihr freundlicher gesinnte Regierung hofft,
fordert rasche Entscheidungen, um das Land wieder in ruhigeres
Fahrwasser zu bringen. Brasiliens Bevölkerung ist jedoch tief gespalten.
Sollten Rousseff und ihre Arbeiterpartei tatsächlich per Amtsenthebung
die Macht verlieren, rechnen politische Beobachter mit Massenprotesten
ihrer Anhänger.
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