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Montag, 20. Mai 2013

AUSWANDERN die ERSTE


 Um besser zu verstehen warum wir von Berlin, nach Andalusien ausgewandert sind um dann in Uruguay zu landen.


AUSWANDERN die ERSTE


Als wir in Deutschland unseren Mitmenschen mitteilten, dass wir vorhatten nach Andalusien auszuwandern, waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Eigentlich freute sich nur meine beste Freundin so richtig. „Spannend!“ kommentierte sie. Dabei sprühten ihre großen Augen kleine Blitze der Zustimmung. Ansonsten war von Irritation bis zur totalen Ablehnung alles vorhanden. Es überraschte uns, wie negativ die Äußerungen waren. Unsere Kinder nahmen es noch relativ gelassen auf, obwohl ihr krampfartiges Lächeln die Lippen unnatürlich verzogen. Es stand in ihren Gesichtern, dass sich andere Menschen in unserem Alter im Altersheim anmelden und nicht ins Ungewisse ziehen. Vielleicht sahen sie auch nur das Erbe ins Ungewisse ziehen.




Die ältere Familiengeneration war fassungslos. Sahen sie doch ihre private Altersversorgung entschwinden. Trotz unseres Hinweises, dass man auch mit 90 in Andalusien leben könnte, stießen wir auf völlige Verständnislosigkeit, denn schließlich kam Montag die Fußpflege, Dienstag war Waschtag, Mittwoch Frau Zipppelich, Donnerstag zum Arzt, Freitag die Massage und am Wochenende musste man den Kindern ein schlechtes Gewissen einreden.
Das nennt man ausgefülltes Leben.
Als wir dann vorsichtig das bessere Klima für ältere Knochen ansprachen, wurden wir gleich unterbrochen: “Um Gottes Willen! Ich vertrage diese Hitze nicht!“ Ich habe oft im andalusischen Winter in die kalte Luft parodiert: “Ich vertrage diese Hitze nicht“! Die Kiefer taten mir schon weh von ganzem Zähnegeklapper. Man stelle sich vor, 8° und ein unbeheiztes Bad. Da wird das Duschen zur Mutprobe. Höhepunkt ist, wenn einen die Gasflasche im Stich lässt, genau in dem Moment, wo man sich gerade die Haare eingeseift hat. Da fällt einem nur eines ein, ein Tarzanschrei: “Ich vertrage diese Hitze nicht!“
Bei dem ersten Besuch in Almería sahen wir viele Menschen in den Bergdörfern, die draußen saßen und miteinander quatschten und lachten. Wenn auch manch Oma nicht mehr so flott über die Straße hüpfen konnte, entdeckten wir bei den Frauen keine einzige Gehhilfe. Die hielten sich eher an einem Glas Wein fest. Bei den vollbesetzten Männerbänken sahen wir einige Stöcke, die teilweise zur Untermalung von Worten in der Luft herumschwirrten. Aber auch die Männer hielten sich lieber am Rotwein fest.
Wenn ich meine Mutter besuchte, stolperte man schon im Hausflur über diese „Gehwägelchen“. Sie waren mit Namensschildern versehen und durch Fahrradketten gesichert. Früher standen da Kinderwagen und Dreiräder. Überhaupt bestanden die Themen der Besitzer von rollenden Stützen fast nur aus Krankheiten und Ärztetourneen. Seltsamerweise musste es sich um ein Frauenleiden handeln, denn Männer sah ich sehr selten mit so einem Klammerbeutelporsche. Die weiblichen stolzen Besitzer tauschten vertraulich Geheimtipps von Wunderdoktoren aus. Das erste Wunder stellte sich sofort ein: das Namensgedächtnis funktionierte kurzfristig wieder.
Wenn der Luxus-Einkaufs-Wagen meiner Mutter den der Nachbarin traf, wurden erst einmal die Neuigkeiten ausgetratscht. Dabei habe ich oft beobachtet, dass alle Arme den Tratsch unterstrichen, ähnlich wie bei den spanischen Bauern nur hätten die dabei den Wein verschüttet. Flink wie alte Eichhörnchen traten sie von einem Bein aufs andere und schnatterten mit den Unterkiefern. Die Rollkrücken wurden nicht mehr beachtet. Mir fiel auf, dass ein unbedingtes Muss zur Ausrüstung von einem „Gehstatussymbol“ ein zusammenklappbares Sitzkissen war. Ich habe zwar nie die Frauen auf einer Bank sitzen sehen, aber alle hatten solch ein kariertes Klapppolster dabei. Als ich nachfragte, kam die entrüstete Antwort: „Zum hinsetzen sei es viel zu kalt, man wolle sich ja nicht die Blase erkälten!“ Da stand ich wieder wie ein getadeltes Kind und sehnte mich weit weg.
Unser Bedauern über die Inkenntnissetzung kam zu spät. Wir wurden mit negativem Müll zugeschüttet.
Das nächste Mal schreiben wir eine Ansichtskarte wenn wir angekommen sind.
Kaum zu glauben das des Deutschen liebstes Kind der Urlaub ist. Verbunden mit ausgiebigen Reisen. Meine Großmutter sagte immer: “Reisen bildet.“ Da gab`s wohl noch keinen Ballermann. Enge Verwandte fragten uns, ob man von den augenblicklichen Bränden betroffen sei. Vielleicht würden diese Menschen auch einen Münchner fragen ob er von dem starken Wellengang der Nordsee betroffen wäre. Zumindest versetzt es einen kleinen Stich, dass man sich nicht mal die Mühe gemacht hat, in einen Atlas zu schauen. Wo man doch sich so viel Mühe gemacht hat, all unsere Pläne in Frage zu stellen.
Nachdem uns nichts aufhalten konnte, bekamen wir noch zum Schluss mehrfach den guten Rat, nicht den Neid der armen Bevölkerung zu wecken. Es wäre sinnvoll nicht zu zeigen was man hat, das könnte böse Folgen haben. Dabei machten sie teilweise Gesichter in Richtung „das große Grauen“ und Gesten wie „Rübe ab“.
Im Süden Spaniens angekommen, waren wir mit dem Aufbau unserer neuen Heimat beschäftigt. Die guten Ratschläge verblassten allmählich. Wir hatten mittlerweile sogar ein paar Entschuldigungen für die Familienmitglieder gefunden. Wir fühlten uns dynamisch und versuchten uns im neuen Leben einzurichten.
Eines Tages fragte ich eine Spanierin nach der wunderschönen Stuckarbeit am Eingang ihres Hauses. Und schon befand ich mich auf einer Schlossbesichtigung. Freudig zeigte sie mir alle Errungenschaften im Haus. Sie war sehr stolz auf ihren Besitz. Spanier zeigen sehr gerne was sie haben.
Wie war das mit dem Ratschlag in Puncto Neid?
Schon nach wenigen Wochen teilte uns ein spanischer Freund mit, dass man sich Sorgen um uns mache. In Andalusien leben die Spanier nicht auf dem Land. Dort wird gearbeitet oder am Wochenende gefeiert. Das alltägliche Leben spielt sich im Dorf ab. Zumindest da, wo der Tourismus nicht alles zerstört hat.
Ein Deutscher würde unsere Finca vielleicht als erstrebenswert bezeichnen und einige würden vor Neid platzen. Der Spanier sieht nur unsere Einsamkeit, die fehlende Kommunikation, keinen sozialen Verbund, keine Kinder, nicht mal ein Pferd.
In ihren Gesichtern liegt oft ein Bedauern. Sie kennen deutsche Wertigkeiten nicht, warum auch!?
Es hat uns mutig gemacht. Wir werden jederzeit wieder von vorne anfangen. Das Ziel ist der Weg dahin.
Dann heißt es:

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