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Dienstag, 17. März 2020

Covid-19: "Die Angst nimmt ab, wenn sich eine neue Normalität einstellt"

ZEIT ONLINE

Jakob Simmank

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Steven Taylor forscht zur Psychologie hinter Pandemien. Er sagt, dass wir Gespräche und Halt brauchen und es jetzt hilft, auch mal eine Nachrichtenpause einzulegen.

Eine Frau in Mailand fährt Bus, Februar 2020. © Marco di Lauro/​Getty Images 
Eine Frau in Mailand fährt Bus, Februar 2020. © Marco di Lauro/​Getty Images 

In Deutschland schließen Schulen, Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter nach Hause, die Bundesliga wird unterbrochen. Viele Menschen machen sich Sorgen vor dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2. Wie geht man mit diesen Sorgen um? Wie mit der Isolation einer Heimquarantäne? Steven Taylor ist Professor für klinische Psychologie an der University of British Columbia und Autor des Buches "The Psychology of Pandemics". Wir erreichen Taylor über Skype, er hat Zeit für fünf schnelle Fragen.


ZEIT ONLINE: Herr Taylor, was können Menschen tun, die sich jetzt Sorgen machen?
Steven Taylor: Es ist wichtig, realistisch zu bleiben. Bei den meisten Menschen verläuft die Covid-19-Erkrankung mild. Und man kann sich schützen, wenn man sich an ein paar einfache Regeln hält: die Hände waschen, sich nicht ins Gesicht fassen, weniger soziale Kontakte haben. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir mit Menschen aber auch sprechen und Kontakt haben. Das nimmt Ängste. An Orten, an denen es aktive Ausbrüche gibt, sollten wir momentan Abstand voneinander halten. Deshalb nimmt man besser das Telefon oder den Computer und telefoniert zum Beispiel mit Video.
Steven Taylor ist Professor für Psychologie an der University of British Columbia. Er forscht seit Jahren zur Psychologie von Pandemien. <span> <span>© privat</span> </span>
Steven Taylor ist Professor für Psychologie an der University of British Columbia. Er forscht seit Jahren zur Psychologie von Pandemien. © privat
ZEIT ONLINE: Hilft es für die Verarbeitung, wenn Menschen verstehen, warum gewisse Dinge gerade passieren, Schulschließungen oder Quarantänemaßnahmen?
Taylor: Ja, definitiv. Zu wissen, was passiert und warum, verringert das Gefühl der Unsicherheit. Außerdem hilft es zu wissen, dass man Dinge wie die soziale Distanzierung nicht nur für sich selbst tut, sondern auch für die Gemeinschaft. Wir wissen aber auch, dass gerade zu Beginn einer Pandemie die Angst am größten ist. Sie nimmt im Laufe des Ausbruchs meist ab, wenn sich eine neue Normalität einstellt.
ZEIT ONLINE: Was kann man gegen das unangenehme Gefühl der sozialen Isolation tun? 
Taylor: Soziale Isolation kann sehr stressig sein. Viele Menschen haben sich mit Vorräten und Medizin für die Phase der Isolation eingedeckt. Das ist wichtig. Aber mindestens genauso wichtig ist, sich eine Beschäftigung zu suchen, damit einem die Decke nicht auf den Kopf fällt. Ich kann nur allen raten: Suchen Sie sich Projekte. Für mich bedeutet das Lesen und mich um meinen Garten kümmern.
ZEIT ONLINE: Es kann auch dazu kommen, dass Familien Tage oder Wochen auf engem Raum zusammen verbringen. Das kann Ärger geben.
Taylor: Es ist wichtig, dass man sich klarmacht, dass es zu Streit kommen kann und man einander auf die Nerven gehen kann. Wichtig ist, dass man früh darüber redet, wie man damit umgeht, wenn es zu Streit kommt – jede Familie muss dabei ihre eigenen Lösungsstrategien finden.
ZEIT ONLINE: Was sollen Menschen tun, die verunsichert sind, wenn sie die Nachrichten verfolgen?
Taylor: Es ist total verständlich, wenn Menschen wissen wollen, was passiert. Aber manchmal geht das auch nach hinten los. Manche Menschen macht es nur noch ängstlicher, wenn sie andauernd die Nachrichten checken. Wenn Nachrichten, Medien oder soziale Medien Sie ganz persönlich stressen, legen Sie das Smartphone auch mal weg. Gönnen Sie sich Zeit ohne Ihr Smartphone und Ihren Computer. Gerade jetzt. Das gilt besonders abends, damit Sie auch schlafen können. Wenn Sie Nachrichten lesen, seien Sie sehr skeptisch gegenüber Gerüchten und nutzen Sie vertrauenswürdige Nachrichtenseiten.



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