- Von Anna-Sophia Lang, Miami
Dunkle Wolken über Miami – ein schlechtes Omen?
Bild: Anna-Sophia Lang
Krisengebiet statt Sunshine State? Während des Florida-Urlaubs
unserer Autorin rüsten sich die Einwohner für Hurrikan „Dorian“ und
vernageln Fenster und Türen. Eindrücke aus Miami.
Wie steht es um den Hurrikan?
Als wir am Donnerstagnachmittag in unserem Hotel in Miami ankommen, ist
das unsere erste Frage. Kurz vor dem Abflug am Frankfurter Flughafen
haben wir von anderen Passagieren gehört, dass der Sturm, der zu dem
Zeitpunkt schon auf die Ostküste von Florida zurollt, immer stärker
wird, und dass der Gouverneur bereits den Notstand ausgerufen hat. Die
Rezeptionisten versuchen uns zu beruhigen: Man müsse abwarten, wie sich
der Sturm entwickle, sie würden uns Bescheid sagen, falls wir evakuiert
werden. Evakuiert? Da wird uns, nur Minuten nach unserer Ankunft im
Traumziel Miami klar, was da womöglich auf uns zu kommt. Krisengebiet
statt Sunshine State – dass Hurrikansaison in Florida ist, hatten wir
gewusst. Aber dass sich ausgerechnet in unserer Urlaubswoche über dem
Atlantik etwas so Gefährliches zusammenbraut, verunsichert uns.
In den nächsten Tagen wird
der Weather Channel unser ständiger Begleiter. Was wir sehen, bereitet
uns Sorgen: Zu dem Zeitpunkt rechnet das National Hurrican Center damit,
dass das Zentrum von „Dorian“ auf die Küste etwas nördlich von Miami
prallen wird – als Hurrikan der Kategorie vier mit riesiger
Zerstörungskraft. Am Freitagmorgen tritt der Gouverneur vor die Kameras
und drängt die Bevölkerung, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Man
solle sich mit Wasser und Lebensmitteln für eine Woche eindecken und die
Autos volltanken, damit man im Zweifelsfall so schnell wie möglich
wegkommt.
Die
Fernsehsender zeigen Bilder von langen Schlangen vor Supermärkten, an
Tankstellen und an Baumärkten. Die Behörden verteilen Sandsäcke. Mit
einem mulmigen Gefühl machen wir uns auf den Weg in die Stadt, um zu
frühstücken. Die Stimmung ist gedrückt. Wir hören, dass es deutlich
leerer auf den Straßen ist als sonst. Frühmorgens hat es stark
gewittert, das erscheint uns als ein schlechtes Omen. Durch die tiefen
Pfützen, die sich in Miami Beach gebildet haben, fahren mit Spanplatten
beladene Lastwagen. Später sehen wir, wie damit Gebäude zugenagelt
werden. Während wir noch frühstücken, messen Handwerker hinter uns Türen
und Fenster aus.
„Atmen Sie nicht zu früh auf“
Im Fernsehen überschlagen sich Meteorologen
mit drastischen Appellen, es gibt kein anderes Thema. Ist das
amerikanisch-emotionale Übertreibung oder ist die Lage wirklich so
ernst? Sollten wir versuchen, so schnell wie möglich wegzukommen? Wir
telefonieren mit der Fluggesellschaft. Niemand weiß in diesem Moment,
wie lange der Flughafen überhaupt offen bleiben wird. Miami ist
Anlaufpunkt für viele Kreuzfahrtschiffe, und wenn deren
tausende Passagiere wegen des Hurrikans von Bord gehen und an den
Flughafen gebracht werden, wird Chaos ausbrechen, heißt es.
Auch unter
Touristen und Einheimischen ist „Dorian“ das einzige Thema. Jeder
spekuliert, jeder interpretiert die stündlichen Updates, jeder hat eine
Meinung. Am fast leeren Hotelpool erzählt ein Amerikaner, er habe
gehört, es werde alles gar nicht so schlimm. „Ich warte jetzt ab und
mache mir solange eine gute Zeit“, sagt er. Die Kellner bei „Joe’s Stone
Crab“ in South Beach diskutieren, welche Stärke der Hurrikan wohl noch
erreichen wird. Eins ist klar: Wegen des Hurrikans soll das beliebte
Restaurant ab dem nächsten Tag geschlossen werden. Eine Uber-Fahrerin
erzählt uns, während wir an immer mehr zugenagelten Gebäuden
vorbeifahren, dass sie sich am Nachmittag schon mit 90 Litern Wasser
eingedeckt hat. Aber sie lacht und sagt uns, wir sollen uns keine Sorgen
machen. Seit 15 Jahren lebe sie in Miami und habe so manchem Sturm
getrotzt. „Meine Tochter ist aus London zu Besuch und hat Angst, aber
ich habe ihr gesagt, sie soll das hier als Abenteuer sehen.“ Das
empfiehlt sie uns auch zum Abschied. Und: „Passt auf euch auf.“
Ein anderer
Fahrer sagt uns, wenn wir im Hotel sind, müssten wir uns keine Sorgen
machen. Dann würde sich um uns gekümmert. „Eine Sache könnt ihr aber
fragen, um ganz sicher zu sein: Ob das Hotel einen Generator hat.“ Es
hat keinen. Aber es gebe einen in der Nähe, sagt der Rezeptionist. Unser
Vertrauen weckt das nicht. Im Fall einer Evakuierung, erklärt uns seine
Kollegin, würden wir in ein Evakuierungszentrum gebracht. Eine Kirche
oder ein Business Center, je nachdem, was als sicher deklariert wird.
Am Samstag
sieht es so aus, als würde „Dorian“ doch weiter nördlich verlaufen als
zunächst angenommen. Miami könnte mit stürmischen Böen und
Überschwemmungen davonkommen. Im lokalen Fernsehen macht sich leichter
Optimismus breit. „Aber atmen Sie nicht zu früh auf. Hurrikans können
unberechenbar sein.“ Wir beschließen, erstmal zu bleiben. Jetzt heißt es
abwarten – und das Beste hoffen.
Frankfurter Allgemeine
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