Dienstag, 21. Mai 2013
Idefix
Idefix und Obelix.
Es war ein Sonntag in Andalusien, Ende August. Die Luft flimmerte. Ein diesiger Schleier lag auf den Bergen. Das Dorf Frigiliana schmiegte sich in die Hügel wie ein schlafender, weißer Dinosaurier.
„Heut wird’s glatt“, sagte Herr Difi, der unverhofft im Türrahmen stand und trottete verschlafen in Richtung Bad.
Verschlafen war an dem Morgen alles. Nicht mal unsere Hundedame, die normalerweise mit dem ganzen Hinterteil vor Freude um sich schlägt wenn das Herrchen auftaucht, gönnte ihm einen müden Blick. „Weiber“ zischte das Herrchen bevor er ins Bad verschwand.
Kein Vogel trällerte: „Aufstehen, aufstehen, Morgenstund hat Gold im Mund.“
In den letzten Tagen wurde ich öfter von einem Gegenstand geweckt, der in Richtung Federvieh flog, mit dem genervten ehemännlichen Kommentar: „ Schnabel halten, ich bin Rentner und will meine Ruh!“ Der dann ohne Schwierigkeiten wieder ins nichterotische Schnarchen verfiel. Das wiederum war der Auftakt für den Hundestummelschwanz, der den Takt schlug: “Jetzt geht’s los! Jetzt geht’s los!“ Noch mal kurz mit der Zunge übers Gesicht schlabbern, um sicherzustellen, dass das Frauchen nun auch nicht mehr schlafen kann und dann mit Schwung sich auf den Rücken für das morgendliche Bauchkraulen schmeißen. Mechanisch rubbeln dann meine Hände den schlanken Bauch (NEID) begleitet vom Gähnen und Hintergrundgeschnarche. Gleichzeitig versuche ich, da mein Kopf schon unten und die Beine noch oben im Bett sind, mich aus der gemeinsamen Schlafstätte zu rollen, um mich zur Tür zu robben und den bauchgekraulten Wackelschwanz raus zu lassen. Dann bin ich wirklich wach.
Doch an diesem Morgen herrschte nur Stille. - Einfach Stille.
Stille, die jäh aus einem Tonbrei von quietschenden Reifen, krachendem Gepolter und menschlichem Geschrei unterbrochen wurde. Vorsichtig sah ich mich um, in Erwartung von Toten auf der Straße, Hauseinsturz, Erdbeben oder gar einem Vulkanausbruch.
Aber da lag nur vom Bauern Salvatore das Metallbett halb auf der Straße. Ist wohl während der Fahrt ausgestiegen. Helle Kratzspuren zeigen den Beginn des Ausstiegs. Salvatores Frau schimpfte in höchsten Tönen und ließ nichts aus, um das Selbstbewusstsein ihres Mannes zu reduzieren. Als das Bäuerlein mein atemloses Gesicht entdeckte, schrie er männlich zurück und lehnte jede Hilfe ab. Die Bäuerin ruderte immer noch wild mit den Armen und jammerte die Natur an, was sie für einen Mann hat, der nicht mal ein Bett unter Kontrolle hätte.
Was zu diesem Zeitpunkt keiner wusste, Salvatore hatte noch etwas anderes verloren.
Nachdem sich das Motorengeräusch im Dunst der Hitze verloren hatte, kehrte wieder totale Stille ein, die durch einen Ruf aus dem Badezimmer unterbrochen wurde.“War was?“
Nun fuchtelte ich mit den Armen die Natur an.
Es wurde trotzdem noch ein schöner Tag. Wir trafen uns mit Freunden auf dem Trödelmarkt, aßen am Meer eine Kleinigkeit. Etwa 8 Tapas und glotzten genüsslich auf die Wellen. Wieder zu Hause versanken wir in den Fluten des Pools, am Rand stand der Rotwein und wir waren rundum zufrieden. Die Berge hatten wieder scharfe Konturen angenommen und das Dorf lehnte sich im gleißendem Weiß an die Felswände. Herr Difi sagte:“ Ruhe.“- Ja, es war herrlich ruhig. „Du sollst ruhig sein!“ sagte er mit Nachdruck. Er legte seinen Kopf schief in die Richtung, wo am Morgen das Eisenbett den Betontest gemacht hatte. Zuerst hörte ich gar nichts. Nun sah ich, dass unsere Hundedame auch ihren Kopf in Schräglage zur Straße gedreht hatte. Sie versuchte ihre Schlappohren ein wenig zu heben. Und da war was! Mein männliches Hörrohr ging triefend vor Nässe zum Geräusch, gefolgt vom Hund der verzweifelt versuchte die Ohr-Gardine weg zu schleudern.
Alles erstarrte beim Schrei einer Möwe!
Ich kletterte nun auch aus dem Wasser und folgte den beiden vorsichtig zum Vorgarten, wo die Laute immer schriller wurden. Und dann sahen wir die Möwe. Die Farbe stimmte, der Schrei stimmte. Es musste ein Baby mit Flauschefedern sein. Und dann reckte sich ein vierpfotiger Fellzwerg, mutig fauchend, mit stampfenden Minitatzen unserer verdutzten Hundelady entgegen. Umso mehr die kleine Katze aus Leibeskräften fauchte umso mehr weiteten sich die Pupillen meines Mannes. Er nahm diesen Winzling in die Hand und brummelte was von: wird wohl Hunger und Durst haben. Die beiden sahen aus wie Idefix und Obelix. Und schon hatte die Nichtmöwe ihren Namen weg. Obelix versuchte alles um Idefix verdünnte Kondensmilch in das kleine Mäulchen zu träufeln. Er probierte es mit dem Finger, aber „ Fixniedlich „ weigerte sich was von Fremden anzunehmen. Eine gute Erziehung ist nicht immer von Vorteil. Alles untermalt mit ermutigen Worte, wie: “Du wirst mir vertrocknen, Kleene, du wirst sterben bevor du das Leben kennen gelernt hast.“ Zwischendurch schnupperte unsere Hundedame an dieses Fellknäul und kämpfte gegen unverhofftes Mutterglück.
Endlich durfte ich auch mal das weiche Fellchen halten. Obelix sauste in den Keller und bastelte aus einem Isolier-Silicon-Schlauch und einer Einwegspritze eine Nuckelvorrichtung.
Gefüllt mit Milch führte er vorsichtig den Schlauch an die winzigen Lippen und das kleine Wunder geschah. Idefix saugte,
Obelix geweiteten Pupillen glänzten feucht und unsere Hündin leckte das neue Familienmitglied.
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