Seiten

Sonntag, 26. Mai 2013

Die rohe Taube



Aus dem Meer stieg ein Wolkenmassiv. Gewaltige Nebelberge krochen in die Täler. Das perfekte Nichts breitete sich aus. Die bunten Bienenfresser sammelten sich kreischend über unserem Haus und versetzten die Katzen in Jagdlaune. Sogar Gamasche schaute mal nicht gelangweilt in den Himmel. Das Geschrei der Vögel wurde vom Nebel verschluckt. Tigger lief aufgeregt hin und her und versuchte das Nichts zu durchdringen. Filou drehte seine Ohren wir kleine Radarschirme und lauschte ins Nichts und Idefix verschwand im Nichts. Die Wolken kamen näher. Bald saßen wir drin und es wurde ganz still!
Eine Ewigkeit später polterte es im Badezimmer. Vier Katzen und ein Hund befanden sich in der obelixgerechten Dusche. Ich konnte nicht erkennen worum es eigentlich ging. Tigger fing an zu knurren und schnappte sich eine große graue Beute und flitzte davon. Die anderen Tiere hinterher. Floh bellte, als hätte man ihr einen Knochen geklaut. Auf Grund der Federn, musste es sich um einen Vogel handeln. Nun schrie ich nach Herrn Difi. Wir folgten der Blutspur und landeten im Keller. Tigger riss unter knurrenden Geräuschen schieres Fleisch aus dem toten Federvieh. Es war das erste Mal, das Floh sich bei einer Beute einmischte. Sie witterte Fleisch. Es war eine Taube! Ich schrie schon wieder: “Nun tu doch was!“ Wieder kam die Kehrschaufel mit Handfeger zum Einsatz. Mit aller Kraft, schleuderte mein Mann das zerfledderte Tier in die ewigen Jagdgründe.




Am nächsten Morgen wurde ich früh von Floh geweckt, die damit beschäftigt war, Katzen aus dem Schlafzimmer zu schmeißen. „Guter Hund“, brummelte ich verschlafen. Seit die Katzen ihren eigenen Ein und Ausgang hatten, kamen sie uns seltener besuchen. Als wir noch alle Türen geschlossen hielten wurde nichts unversucht gelassen, in unser Bett zu kommen. Irgendwann hatte die Sippe gewonnen. Und wie so oft im Leben, als die Türen wieder offen standen, erinnerte man sich an die nächtlichen Katzenaktivitäten. Nur Floh lag in einem Körbchen in unserem Schlafzimmer und bewachte uns. Allerdings nicht immer in ihrem. Das Katzenkörbchen wurde genauso oft benutzt Würde da der Obstkorb stehen, wäre das auch kein Hindernisgrund sich rein zu zwängen.
Aber an diesem Morgen stimmte was nicht. Floh setzte sich vor die Schlafzimmertür und ließ keinen rein. Die vier Katzen hatten sich versammelt und versuchten gemeinsam den Hund zu überlisten. Drei lenkten ab und eine versuchte durchzukommen. Mein Blick auf die Uhr bestätigte, dass die normale Fütterungszeit erst zwei Stunden später war. Tigger hatte es gerade fast geschafft, doch Floh war schneller. Missgelaunt stand ich auf und trat in etwas Weiches. Mein langsamer Blick nach unten ließ mir viel Zeit für Blitzgedanken: Vielleicht eines der Stofftiere? Oder eine fünfte Katze? Wenn nicht, schreie nicht wieder gleich los! Es war „wenn nicht“! Ich stand halb in der toten Taube vom Vorabend und sie sah nicht gerade appetitlicher aus. Es half nichts! Es schrie ganz alleine aus mir heraus, unfähig den linken Fuß vom rohen Fleisch zu nehmen. Die Tierbande erstarrte und Herr Difi schnellte hoch, mit dem üblichen morgendlichen Gesichtsausdruck „wo bin ich“? Er starrte sekundenlang die Taubenreste an. „Nützt nichts, muss in die Mülltonne“, und schmiss sich wieder ins Land der Träume.
Irgendwann hüpfte ich einbeinig ins Badezimmer und spülte minutenlang mein Bein ab. Nach einer ausgiebigen Ganzkörperdusche war ich in der Lage mich der taubenartigen Überreste zu stellen. Ich stellte mir vor es wäre ein klitzekleines Hühnchen oder Wachtel und fast wie neu. Dieses Mal wurde mit Handfeger und Schippe die Beute gleich in den Haus-Müll getan.
Ein Wunder, dass ich keine blaue Flecken bei dem 7m Transport bekam, da ich überall hinschaute , nur nicht auf die Schippe.
Gerade als ich mich wieder beruhigt hatte und mit einem Kaffee auf der Terrasse stand und den Morgenduft einatmete, polterte es in der Küche. Ich nahm noch einen Schluck und ging ganz langsam zur Quelle der Geräusche. Wieder flogen Federn und alle saßen um die Beute herum. Wie auch immer, die Fünf hatten es geschafft die Schranktür zu öffnen und das tote Viech aus dem Eimer zu angeln
Wieder schnappte ich mir den Kadaver und entsorgte ihn in eine schwarze Mülltonne mit Klemmverschluss!
Hinter mir hörte ich Herr Difi: „Man, du gönnst den Kleinen aber auch gar nichts!“
Kehrschaufel und Besen flogen im hohen Bogen in Richtung der Worte. Oben am Treppenabsatz saßen die Fünf und schauten mich böse an, Herr Difi schaute mich gar nicht mehr an. Den ganzen Tag war ich Luft für die Gemeinschaft. Ganz langsam verblasste die Taube im Nebel der Vergebung. Am Abend war alles wieder vergessen und neue Opfer konnten gejagt werden. Irgendwo polterte eine schwarze Mülltonne. Aber auf die Klemmverschlüsse konnte man sich verlassen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen